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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 34.1918-1919

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Plietzsch, Eduard: Ferdinand von Rayski
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https://doi.org/10.11588/diglit.13748#0249

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I Kunstbibliothek
Staatliche Museen

Man hat Ferdinand von Rayski als Auto-
didakt bezeichnet und ihn — in edlem Sinne —
einen Dilettanten genannt. Überblickt man
sein Leben, so ist man zunächst geneigt, dem
zu widersprechen. An Unterricht hat es ihm
nicht gefehlt. Bereits auf der Freimaurer-Er-
ziehungsanstalt in Dresden wird er von seinem
Zeichenlehrer in der Malerei unterwiesen. Er
besucht in den Jahren 1823 bis 1825 nebenbei die
Akademie und bildet sich um 1833 durch das
Kopieren alter Meister in der Gemäldegalerie
und durch erneute Studien an der Akademie zu
Dresden weiter aus. In Paris soll er die Werke
Horace Vernets und Delaroches eingehend
studiert haben. Gründe genug, ihn keinen Auto-
didakten zu nennen, zumal ja jeder geniale
Künstler das Wesentliche seiner Kunst niemals
von anderen gelernt hat, sondern aus sich selbst
heraus entwickelte. Überblickt man jedoch
Rayskis Werk, dann erkennt man, daß in der
Tat die nebenbei betriebenen Studien auf

der Akademie nicht tiefgehend und gründ-
lich gewesen sein können. Die Komposition
seiner frühen Gemälde, ihre Färbung und
Zeichnung sind ganz unakademisch und sein
Schaffen ist während seines ganzen Lebens un-
sicheren Schwankungen unterworfen. Auf der
unvollkommenen akademischen Ausbildung be-
ruht zum Teil die Stärke seiner Kunst und ihre
Schwächen sind gleichfalls darauf zurückzu-
führen. Das Fehlen einer soliden Grundlage
und der Mangel an strenger künstlerischer
Zucht bewirken, daß das Resultat seines Schaf-
fens lediglich von Launen und glücklichen
Stimmungen abhängig ist, daß verzeichnete
und schlecht gemalte Bilder gleichzeitig neben
vollkommenen Meisterwerken stehen. Viel-
leicht ist das allzu rasche Nachlassen der Be-
geisterung für den Künstler bald nach der
Jahrhundertausstellung darauf zurückzuführen,
daß eine Reihe minderwertige Bilder von ihm
ans Tageslicht kamen? Aber auch die Stärke
und urwüchsige Art seiner Produk-
tion beruht nicht zuletzt auf seiner
autodidaktischen Bildung. Wenn viele
seiner Zeitgenossen mit einer vorge-
faßten Meinung und fertigen Bildidee
im Sinne der Akademie an die Dinge
herantraten und sie unter dem Ge-
sichtswinkel der überlieferten akade-
mischen Auffassung betrachteten, so
war Rayski von solchen Vorurteilen
frei und er brauchte sich nicht erst
angelernter Regeln und Grundsätze
zu entledigen, um souverän schaffen
zu können. Er stellte sich mit un-
verbildetem Blick den Dingen gegen-
über; der Spürsinn und die Beob-
achtungsgabe des passionierten Jä-
gers befähigen ihn, die Erscheinun-
gen mit naiven Sinnen und scharfem
Blick zu erfassen und festzuhalten.
Trotz der selbständigen Stellung,
die Ferdinand von Rayski abseits vom
Kunstleben seiner Zeit einnimmt,
ordnen sich seine Schöpfungen der
Gesamtentwicklung der Malerei des
19. Jahrhunderts ganz gut ein. Wenn
er auch voll Wagemut und Selbst-
vertrauen unabhängig von zeitgenös-
sischen Vorbildern an die Objekte
herantritt, so steckte ihm die kon-
servative Gesinnung, der Sinn für
vornehme repräsentative Haltung so
tief im Blute, daß er nicht ab-
sichtlich nach revolutionären For-
men strebt. Das Schema seiner
Bildnisse weicht von dem beliebter
Porträtisten der Zeit, wie Eduard


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