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Voss, Hermann: Hans Meid als Zeichner
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.13748#0262
l Kunstbibliothek
Staatliche Museen
HANS MEID
AUS DEM TIERGARTEN
dium des Atmosphärischen der „Gondelanlege-
platz“ in Venedig und die von südlicher Son-
nenglut erfüllte „Gartenterrasse in Recco“.
Eine charakteristische Gruppe für sich bil-
den die Berliner Ansichten. Gut beobachtete
Großstadtausschnitte enthalten Blätter wie das
„Kaiserkaffee“, durch dessen Scheiben hindurch
man das Getriebe der Friedrichstraße beobach-
tet und der Blick von Kaffee Josty in die Belle-
vuestraße. Die meisten Berliner Motive sind
dem Tiergarten entlehnt, oder sie gehen auf
ähnliche Anregungen aus Neubabelsberg, Süd-
ende und anderen Orten der Umgebung Berlins
zurück. Angesichts der Abbildungen ist es kaum
nötig, auf den Zauber dieser sprühend leben-
digen, prickelnden Paraphrasen heiterer Sommer-
natur in Worten hinzuweisen. Es genügt da-
von zu sagen, daß ganz wenige unter den Jünge-
ren in gleicher Weise jeden Strich zu beseelen,
jede Feinheit der Natur mit künstlerisch ana-
logen Mitteln nachzubilden und eine bestimmte
Stimmung überzeugend zu gestalten wissen.
Auch für die ausgezeichnete Behandlung des
Tiermodells, von der Meids Radierungen so
häufig Zeugnis ablegen, findet sich eine Reihe
vorzüglicher Beispiele. Eine besondere, durch die
verblüffende, sozusagen animalische Belebung
des menschlichen Körpers aus aller Konvention
herausfallende Gruppe bilden endlich die Akt-
zeichnungen. Es sind durchweg große und mit
wunderbarer Verve des Strichs gezeichnete
Studien, teilweise nach italienischen Modellen.
Meid brauchte eine reiche Anschauung des be-
wegten Körpers für seine oftmals recht drama-
tisch gestalteten Kompositionen; es kann da-
her nicht verwundern, wenn in seinen Akten
ein ansehnliches Material an interessanten Be-
wegungsmotiven vorliegt. So stark und unmit-
telbar individuell-sinnlich sich nun in diesen
Blättern die Wirkung der Natur äußert, so
typisch erscheinen sie doch andererseits für den
Charakter seiner graphischen Schöpfungen, an
die sie in jedem Zuge erinnern. In der hier ge-
zeigten Auswahl Meidscher Zeichnungen run-
den sie das Bild seiner Persönlichkeit als Zeich-
ner, an dem jeder seine Freude haben muß, der
für das eigenste Wesen der zeichnenden Kunst
Verständnis besitzt. Hermann Voss
Die Kunst für Alle XXXIV.
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Staatliche Museen
HANS MEID
AUS DEM TIERGARTEN
dium des Atmosphärischen der „Gondelanlege-
platz“ in Venedig und die von südlicher Son-
nenglut erfüllte „Gartenterrasse in Recco“.
Eine charakteristische Gruppe für sich bil-
den die Berliner Ansichten. Gut beobachtete
Großstadtausschnitte enthalten Blätter wie das
„Kaiserkaffee“, durch dessen Scheiben hindurch
man das Getriebe der Friedrichstraße beobach-
tet und der Blick von Kaffee Josty in die Belle-
vuestraße. Die meisten Berliner Motive sind
dem Tiergarten entlehnt, oder sie gehen auf
ähnliche Anregungen aus Neubabelsberg, Süd-
ende und anderen Orten der Umgebung Berlins
zurück. Angesichts der Abbildungen ist es kaum
nötig, auf den Zauber dieser sprühend leben-
digen, prickelnden Paraphrasen heiterer Sommer-
natur in Worten hinzuweisen. Es genügt da-
von zu sagen, daß ganz wenige unter den Jünge-
ren in gleicher Weise jeden Strich zu beseelen,
jede Feinheit der Natur mit künstlerisch ana-
logen Mitteln nachzubilden und eine bestimmte
Stimmung überzeugend zu gestalten wissen.
Auch für die ausgezeichnete Behandlung des
Tiermodells, von der Meids Radierungen so
häufig Zeugnis ablegen, findet sich eine Reihe
vorzüglicher Beispiele. Eine besondere, durch die
verblüffende, sozusagen animalische Belebung
des menschlichen Körpers aus aller Konvention
herausfallende Gruppe bilden endlich die Akt-
zeichnungen. Es sind durchweg große und mit
wunderbarer Verve des Strichs gezeichnete
Studien, teilweise nach italienischen Modellen.
Meid brauchte eine reiche Anschauung des be-
wegten Körpers für seine oftmals recht drama-
tisch gestalteten Kompositionen; es kann da-
her nicht verwundern, wenn in seinen Akten
ein ansehnliches Material an interessanten Be-
wegungsmotiven vorliegt. So stark und unmit-
telbar individuell-sinnlich sich nun in diesen
Blättern die Wirkung der Natur äußert, so
typisch erscheinen sie doch andererseits für den
Charakter seiner graphischen Schöpfungen, an
die sie in jedem Zuge erinnern. In der hier ge-
zeigten Auswahl Meidscher Zeichnungen run-
den sie das Bild seiner Persönlichkeit als Zeich-
ner, an dem jeder seine Freude haben muß, der
für das eigenste Wesen der zeichnenden Kunst
Verständnis besitzt. Hermann Voss
Die Kunst für Alle XXXIV.
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