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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 34.1918-1919

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Grautoff, Otto: Aufbauendes Kunstgefühl und künstlerische Zerstörungstendenzen in Frankreich, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.13748#0318

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WALTER KLEMM HAFEN MIT MOLE. AQUARELL (1917)

gezogen wurde, allerdings erst nach mehrfachen
Reklamationen der Kunstfreunde (S. 315). Zu
diesem Verhalten paßt die Erklärung eines Ab-
geordneten, die Peladan zitiert (S. 317). „Nicht
zwei unter meinen Wählern denken an die
Statuen von Reims.“ „Gegenüber einem so
schuldvollen Verhalten“, schreibt Peladan (S. 317),
„muß man wohl gestehen, daß die Barbaren
nicht immer diejenigen sind, die zerstören.“ Die
gleiche Bezeichnung trifft auf diejenigen zu, die
Kunstwerke nicht zu erhalten wissen. „Gegen
Ende des Buches heißt es: „Les fonctionnaires
de l’art refusent le Service et se lavent les mains
devant les desastres esthetiques“ (S. 357).
Diese drei Bücher von menschlich und wis-
senschaftlich unanfechtbaren Franzosen bewei-
sen, daß das Idealantlitz der Kultur des franzö-
sischen Volkes eine Maske ist, die von den
Propagandisten der Regierung nicht so gut ge-
arbeitet wurde, daß sie die Wahrheit nicht
durchscheinen ließe. Das französische Volk ist
nicht besser, nicht kunstsinniger als irgend ein
anderes: es ist aber im Affekt grausamer als
andere. Das haben Courajod, Merimee, Lenoir,
Renan und Taine im 19. Jahrhundert bewiesen.

Das haben Paul Leon, Gustave Gautherot und
Peladan mitten im Kriege noch einmal bewie-
sen. Und da der Deutsche, Ernst Steinmann, in
seiner Schrift „Die Zerstörung der Kriegsdenk-
mäler in Paris“ sich auf das gleiche Material
stützt wie die Franzosen, und nichts anderes
getan hat, als dieses Material übersichtlich und
eindrucksvoll aufzureihen, so kann auch seine
Schrift hier genannt werden. Diese Schriften
scheinen den Franzosen eine alte Weisheit zu-
zurufen: „Man soll nicht mit Steinen werfen,
wenn man selbst in einem Glashause sitzt.“ Alle
diese Schriften bestätigen von neuem mitten im
Kriege, im Gegensatz zu der offiziellen fran-
zösischen Propaganda, Courajods Urteil über
den Kunstsinn der französischen Revolutions-
regierung :
„Die Aufgabe einer Museumskommission ist
wohl niemals wieder in so verhängnisvoller
Weise mißverstanden worden. Die Autodafes
königlicher Bildnisse und kirchlicher Denkmäler
von unschätzbarem Wert waren damals an der
Tagesordnung, von der Schändung der Reli-
quien gamicht zu reden.“
Dr. Otto Grautoff

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