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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 34.1918-1919

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Karlinger, Hans: Zu Kurt Kroners Plastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.13748#0348

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Staatliche Museen

Tatsache, die, anscheinend äußerlich, für den
Habitus seiner Kunst doch recht belangvoll
scheint: Kroner hat eine längere Lehrzeit in
dem modernen, mit klassizistischen Eindrücken
reichlich gesättigten Oberitalien hinter sich. Das
werkstattmäßig Sichere, das den modellieren-
den Händen — um nicht zu sagen dem Tastge-
fühl —- des Künstlers innewohnt, kommt zwei-
fellos auf Rechnung der dortigen Lehrzeit.
Nicht als ob damit irgend etwas erklärt wäre
von seinem Wesen. Für das persönliche Wol-
len dessen, der im Dezember igi7 in der Galerie
Caspari Büsten bekannter und unbekannter
Menschen, Aktstudien und die Impression
„Sieg“ ausstellte, ist nichts gesagt, wenn man
weiß, daß Kroner zeitweise in Italien lernte,
daß er in Paris war und mit Rodin in Fühlung
trat. Wichtiger erscheint mir, daß unter sei-
nen Schöpfungen Werke vom östlichen Kriegs-
schauplatz stehen, d. h. daß Kroner z. T. das
große Wehen des Krieges mit erlebt hat.
In dem Sinn seiner Geschöpfe spricht der
Künstler von Kriegsdingen: erschütternd, grau-
sam durch eine sachliche Objektivität, durch
ein Pathos, wie es großen Dingen eigen ist.
Nicht immer und konstant tritt dieses Gefühl zu-
tage, aber vor der aufgereckten Figur „Sieg“ oder
vor Büsten, wie dem russischen Gefangenen, ist
es doch das Maßgebende. Es dürfte darum sei-
nem Werk wohl nicht unrecht geschehen, wenn
man es aus dem Eindruck des Weltkrieges be-
trachtet und — was das Wesentliche ist— die
Überzeugung gewinnt, daß es gerade gegenüber
dem augenblicklichen Geschehen besteht.
Wollte man die Arbeiten Kroners klassifi-
zieren, so wäre die Formel: Barock zu wählen.
Nicht weil sein Werk mit Schöpfungen des Ba-
rock, auch nicht des italienischen etwas zu tun
hat, aber weil der Gefühlseindruck seiner Pla-
stik gegenüber Empfindungen bedingt und er-
weckt, die man ähnlich vor barocken Bildwer-
ken fühlt. Zum Teil liegt das wohl in einer
Formsprache, die sich nie in Flächen beruhigt,
sondern — in gewissem Grad in impressionisti-
schem Sinn — das Wesentliche der Bildwirkung
in dem Prozeß ständig wechselnder und sich
bekämpfender Lichter und Tiefen sieht. Aber
das schließlich auch nur als Begleitmotiv, denn
barock ist vor allem die Grundauffassung vom
plastischen Bildwerk, aus der heraus Kroner
schafft. Schon im Maßstab, der gern starke

Überlebensgroße wählt, ausschlaggebend aber in
der Festhaltung des seelischen Vorganges, den
er in sein Objekt bannt. Eine Welt heftiger
Affekte oder schmiegsamen Beruhigtseins um-
gibt den Beschauer; es ist keine Übertreibung,
wenn man eine volltönende Sprache, ein heftiges
Gemurmel oder einen jauchzenden Sigfriedsruf
zu vernehmen glaubt. So sehr das alles nach
Panoptikum klingt — darin liegt die Grund-
kraft dieser Werke, daß sie der Kluft eines ver-
derblichen und kunstlosen Naturalismus unan-
greifbar gegenüberstehen. Wäre Kroners Werk
nur Talent, so ginge es restlos auf in naturalisti-
scher Mache, das, was bleibt über dieser Grenze,
ist sein eigenster Stil. Und das ist viel, unglaub-
lich viel, wenn man die Schwierigkeit, dieser
Kunst überhaupt gerecht zu werden, richtig
einschätzt.
Kroners Schaffen ist aus der Gegenwart ge-
boren und spricht zur Gegenwart. So wie seine
Büsten als flüchtige Eindrücke erscheinen und
gleichwohl als Monumente in Erinnerung blei-
ben, da ihnen ein großer Maßstab des Erfassens
innewohnt, ist das Wesen seiner Kunst über-
haupt Gegenwart und Überzeugung. Blitzartig
erhellte Erlebnisse eines standhaften und wah-
ren Empfindens, geschildert von nervenfeiner
Ausdrucksgabe, jäh bisweilen und überquellend
von bildnerischer Beredsamkeit. Man könnte
sich in ihm einen guten Monumentalbildner vor-
stellen, der große Denkmäler auf weiten Plätzen
inmitten brandender Volksmengen zur Wirkung
zu bringen vermag, obwohl er mit Figuren und
Gruppen scheinbar harmlos nur in kleinen Mo-
dellen und Aktstudien auftritt. Denn auch in
seinen kleinsten Werken ruht ein Maßstab, der
in das Gebiet symbolischer Monumentalität ge-
hört. Das ist schließlich das Merkwürdigste an
seinem Schaffen, daß es nicht zu gefallen ver-
steht, sondern zu begeistern.
Es kommt in der modernen Plastik nicht all-
zuoft der Fall vor, kompromißloser Kunst ge-
genüberzustehen. Und schon am seltensten
dann, wenn die Leistungen eines Künstlers in
Frage stehen, der zu den Werdenden zählt.
Denn daß Kroners Werk keineswegs abge-
schlossen ist, sondern vorerst einen Weg be-
deutet, der zu Großem führen kann, ohne prä-
tentiös „unerhört Neues“ zu proklamieren, soll
über all dem Gesagten nicht vergessen werden.
Hans Karlinger

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