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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 34.1918-1919

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Kurth, Willy: Die Ausstellungen der Akademie der Künste, der Secession und der Freien Secession in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.13748#0438

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auf die Durchforschung eines Gebietes gewiesen
hat. Das ist das Konstante in der Entwick-
lung dieses rastlosen Temperaments. Das Glück
dieses Stückes Natur hat seine Palette ganz
neu gestimmt. Weich zusammenfassende Son-
nenschleier vom zarten Blaugold zum lichtesten
Silbergrün durchziehen alle Tiefen der Rasen-
flächen und Baumgruppen. Und die Blumen-
pracht der Beete liegt still und zart eingebettet.
Ohne Zweifel ist hier ein Stück Alter zu er-
kennen, ein Sinn, der alle Gegensätze ausgleichen
möchte: etwas von Gutmütigkeit. So trifft man
ihn auch selbst auf dem Selbstporträt in der
Akademie. Immer wieder an der Staffelei, die
aber noch nie ein so tröstliches zartes Licht
umflutet hat. So berührt er sich in diesem
seinem Alterstil mit einem, der in seinem Leben
immer jung blieb und seine Ateliertür dem
Pochen der Zeit nicht verschloß. Der alte Theodor
Hagen aus Weimar, der im vorigen Jahre starb,
hat immer mit dieser tröstlichen Milde in die
Natur geschaut. Seine Felder im weichen Son-
nenduft schmeicheln ebenso wie das graue Licht
seiner Silberkanne auf weißem Tuch. Er
wollte alle Gegensätze — nicht nur die der
Palette — mildern und freundliches Behagen
schenken. Er ging als ein stiller Charakter durch
seine Kunst. Ohne Fanatik, wie der andere
Tote der Freien Secession, wie Theo von Brock-
husen, ihr Vorsitzender. Man hilft sich nur
menschlich über diese Künstlererscheinung hin-
fort, wenn man sie als eine tragische bezeichnet.
Sein Streben war hoch und streng, sein Können
reif, so will seine Kunst kritisch beurteilt sein.
Dieser Siebenunddreißigjährige kehrte im letz-
ten Augenblick seines Lebens zu dem Moment
zurück, wo ihm einst vor zwölf Jahren der Kreis
Liebermann innere Befreiung geschenkt hatte.
Dann hatte er angefangen zu suchen. Aber
Marees hatte recht: suchet nicht, so werdet
ihr finden. Brockhusen fand Van Gogh, fand
die Dynamik des Lichtes. Doch war diese nur
ein Teil der Gesamtdynamik von Van Gogh:
ein Exzerpt machte er daraus. Er sah nicht,
daß mit dieser neuen Form ein neuer Inhalt
sich verband. Und so geriet die wütende Eile
seiner Lichtwellen bald in Konflikt mit der stillen,
schwermütigen Weite des märkischen Land-
schaftsraumes und wollte auf dem weichen Bett
der blühenden Obstbäume sich nicht einlullen.
Sein Streben blieb ernst, seine Kunst aber auch
unfreudig. Da wollte er umkehren und das
Suchen aufgeben. Er begann wieder in ruhigem
Anschaun Natur zu lieben (s. Maiheft 1916). An-
dere wollten weniger heftig ihre Eigenart finden.
Die ihnen gewordene innere Befreiung führte
eine stetig übende Hand zu schöner Frische
der Schilderung, wie bei Philipp Franck (Abb.

S.410). So wurde auch Fritz Rhein in seiner
Weise sicher. Er weiß jetzt, was er will, wenn
auch das Wollen nicht so hoch steht wie bei
Brockhusen. Er kennt die Wirkungen alter
dunkel eingetönter Farben, er kennt die vor-
nehme Linie und die harmonische Farbgebung
bei seinen Porträts von den schottischen Vor-
bildern, etwa Lavery, her und weiß sie klug zu
nutzen (Abb. S.411). So hat auch Orlik sich im
Reiz des Sujets behauptet, wenn die Formgebung
etwas dünn zu werden drohte. Seine pointiert
erzählende Auffassung ist in weiser Ökonomie
mit den Mitteln umgegangen und hat den Bild-
charakter gerettet. Nur Kardorff und der Dres-
dener Sterl haben den freien großen Wurf der
malerischen Kultur des Berliner Impressionis-
mus behauptet. Ganz dem malerischen Schwung
in Inhalt und Form hingegeben, sprechen Kar-
dorffs „Steinbruch in Solnhofen“ (Abb. S. 419)
und Sterls „Generalprobe“ von jener vergan-
genen Zeit.
Den Jüngeren konnte aber das Erlebnis,
welches die Gründer der Secession geleitet hatte,
vom Hörensagen nicht mehr genügen. Hier
liegt ein Stück jenes Pioniertums der Berliner
Schule, und anderseits jene leicht unglückliche
Unzufriedenheit mit der „Schule“, in der andere
Städte sich so glücklich gefühlt haben. Man wollte
an die Quellen selbst, woher jenen Älteren die
innere Befreiung geworden war. Man zog aber-
mals nach Paris. Dort aber traf man lebend
nur den alten Renoir. Manet trat als Erlebnis
in den Hintergrund. So bildete sich Walter
Bondy, so bildete sich Hans Purrmann an
der unerhörten Geschmackshöhe Renoirs. Die
blütenweiche Zerstäubtheit der Farbe Renoirs
gab der Palette eine ganz neue Skala, die Bondy
in seinen Stilleben noch einmal zart feminisierte
(Abb. S. 418), während Hans Purrmann durch
den Einfluß von Matisse zu einer Kräftigung
gelangte, die sich zu einem wahren Freuden-
jubel steigern kann (Abb. S. 425). Indem er alle
schwebenden Nuancen auf wenige beherrschende
Grundtöne zurückführt, jenen aber durch weiche
Durchlichtung Luft und Räumlichkeit gibt,
nähert er sich dem Expressiven der Farbe.
Auch die zeichnerischen Fähigkeiten stehen auf
gleicher Höhe, wie die schöne gleitende Be-
wegung im Rücken eines Halbaktes auf der
Akademieausstellung zeigt. Mit ihm könnte
die Secession einen neuen Halt gewinnen, wissen
doch Talente wie Wolf Röhricht in seinen Land-
schaften mit Fabrikanlagen Form und Farbe
ähnlich auf ein neues Maß von Gebundenheit
zusammenzubringen, das sich von der expressi-
ven Gesinnung nicht fern fühlt (Abb. S. 422).
Und was an ausgleichendem Geschmack die
sympathische Arkadienmalerei Otto Müllers auf-

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