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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 2.1901-1902

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Fenn, Waldemar: Römisches Kunstgewerbe im Elsass
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https://doi.org/10.11588/diglit.6477#0026

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Waldemar Fenn: Römisches Kunstgewerbe im Elsass.

(Xanthi), 7EI (Atei), OF. AA/D (Officina
Amandi) etc.

Wie die Thonwaren, so zeigen auch
die in verhältnissmässig vielen Exemplaren
auf uns gekommenen Glassachen über-
raschend schöne und vernünftige Formen,
bei deren Betrachtung wir es, wenn wir
bedenken, dass auch sie grösstenteils ein-
fache Gebrauchsgegenstände waren, besser
unterlassen, die unseren, was die gewöhn-
liche Ware des kleinen Haushaltes betrifft,
mit jenen zu vergleichen. Auch an den
Schmucksachen der römischen Periode, den
Spangen, Fibeln, Hals- Arm- und Finger-
ringen, Anhängseln und Haarnadeln, wie
an Handspiegeln, Schreibstiften, chirur-
gischem und sonstigem Gerät, können
wir denselben Schönheitssinn, vereint mit
vornehmer Einfachheit der Formen beo-
bachten. Vom kunstgewerblichen Stand-
punkte aus ist es besonders bemerkens-
wert, dass die praktische Anlage der
römischen Gegenstände nie unter der
künstlerischen Gestaltung litt, sondern im
Gegenteil die dekorativen Formen stets
in organischem Zusammenhange mit der
zweckdienlichen Benützung standen, ein
Umstand, der bei modernen Schöpfungen
leider nur zu wenig Berücksichtigung findet.

Die kulturgeschichtliche Bedeutung der
römischen Periode war für die spätere
Entwicklung des Elsass eine geringe, da
die Ereignisse der Völkerwanderung mit
ihren harten Kämpfen, welche dem römi-
schen Weltreich als solchem ein jähes
Ende bereiteten, ihre Schatten auch auf
die friedlichen (Jewerbe werfen mussten.
Als die Alemannen, nachdem Julian sie
375 nach Christus bei Strassburg, und
Gratianus 378 bei Colmar zurückge-
schlagen und wieder über den Rhein
getrieben hatte, doch endlich in das
Elsass eindrangen, waren sie nicht
fähig, die Höhe der bis dahin herr-
schenden Kultur zu behaupten, noch
weniger werden sie geneigt gewesen
sein, ihre eigenen Traditionen gegen fremde
aufzugeben. Es zeigt sich vielmehr hier,
wie in allen fränkisch-alamannischen Gegen-
den, ein entschiedener Rückschritt, der

für uns aber von grosser kunstgeschicht-
licher Bedeutung wurde, da dadurch die
germanischen Formen wieder zu ihrem
Rechte kommen und nun zu einer freien
Entfaltung ihrer Eigenart aufstreben
konnten, welche auch in dem sog.1
Merowingerstile ihren Gipfelpunkt er-
reichte.

Diese Freiheit war aber nur von
kurzer Dauer. Wohl war die Gewalt-
herrschaft der Römer in unseren Landen
vernichtet, doch gelangte die geistige
Herrschaft Roms durch das Christentum
und die altchristliche Kunst wieder zu
allumfassender Macht, und erst nach Verfall
des fränkischen Reiches kam eine selbstän-
dige germanische Kulturentwickelung zum
Durchbruche, auf welche das Mittel-
alter mit Beginn der romanischen Epoche
eine blühende Richtung gründete, deren
Kunstformen den deutschen Charakter
nicht verläugnen können! —

1 Seesselberg, « Die frühmittelalterliche Kunst
der geim Völker.»

Motiv aus Kuysersberg. Von Georg Daubncr.
 
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