Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen (2.1901-1902)

Schmiedearbeit aus der Kunstschlusserabtcilung der Strassburger Kunstgewerbeschule.

Das frühere Feldgeschrei: «HieBriot,
hie Enderlein!», dem der Gegensatz
zwischen Frankreich und Deutschland auch
eine gewisse nationale Bedeutung verliehen
hatte, ist jetzt verstummt. Es besteht kein
Zweifel mehr darüber, dass der um i55o
in Damblain geborene, zuletzt 1616 ge-
nannte Lothringer1 Francois Briot der
Schöpfer der Temperantia-Schüssel ist,
und dass der aus Basel gebürtige, später
in Nürnberg thätige und auch dort ver-
storbene Caspar Enderlein (Juni i56o —
April 1633) dieses Prachtwerk, welches
Lessing * mit Recht «eines der schönsten
Stücke aus dem Kunstvorrat der Renais-
sance» nennt, nur copiert hat, wenn auch
in sehr selbständiger, vielfach vom Ori-
ginal abweichender Weise. Das darf uns
aber die Freude an den sehr beachtens-
werten Arbeiten des braven, auch als Meister-

singer bekannten Enderlein nicht nehmen.

1 Seiner Kunst nach ist Briot Franzose, steht
aber auch unter italienischem Einfluss: das Vor-
bild der Temperantia-Schüssel ist wahrscheinlich
in einer italienischen Composition und der letz-
teren Ursprung vielleicht im Atelier Primaticcio's
oder eines seiner Genossen in Fontainebleau zu
suchen. Seiner Nationalität nach ist Briot aber
nicht Vollblutfranzose, zu dem ihn Bapst (L'etain,
Paris, Masson, 1884, S. 244) stempeln will, son-
dern Lothringer und folgeweise — im staats-
rechtlichen Sinne — wohl Deutscher, da Loth-
ringen um i55o zum Deutschen Reiche gehörte,
und unser Meister überdies von etwa i585 bis
1616 in der damals gleichfalls deutschen Stadt
Montbeliard (Mömpelgard) als Hofgraveur zweier
deutscher Fürsten, Friedrich und Johann Friedrich
vonWürttemberg-Mömpelgard. angestellt war und
seinen dauernden Sitz hatte. (Demiani.)

1 Lessing, • Francois Briot und Caspar En-
derlein » im Jahrbuch der Königlich Preussischen
Kunstsammlungen, Berlin, Grote, X. Band (1889)
IV. Heft, S. 171 ff.