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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 2.1901-1902

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Polaczek, Ernst: Zur Geschichte der Glasindustrie
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https://doi.org/10.11588/diglit.6477#0263

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236

E. Polaczek: Zur Geschichte der Glasindustrie.

einer immerhin selteneren Form gibt der
auf Tafel 18 abgebildete stattliche Krug,
der in grösseren Feldern, von geschliffenen
Ornamenten umrahmt, einen Frachtwagen
und einen Dreimaster zeigt, eine gute
Vorstellung.

Tafel 21 u. ff. legen dann Zeugnis
von der weiteren Entwicklung des Glas-
schliffes ab. Wie überall, liegt das Ver-
hängnis auch hier in dem Wunsche, Kunst-
fertigkeit zur Schau zu stellen. Die ver-
schiedensten Schliffmethoden und ihre
Kombinationen zeigen die Technik auf
voller Höhe. Aber man begreift, dass
dergleichen Virtuosenkünste schliesslich
eine Reaktion hervorriefen, die sich in
puritanischer Abneigung gegen den Schliff
äusserte. Galt auch im Ganzen die ge-
schnittene Ware als gemein, so gab es
doch, wie beispielsweise die auf Tafel 26
zusammengestellten Stücke beweisen, doch
im Riesengebirge immer noch Werkstätten,
in denen auf Verbindung von guter Ge-
fässform mit guter Dekoration etwas
gehalten wurde.

Mit der Abtrennung Schlesiens von
Osterreich vollzieht sich auch in der
Glasindustrie eine Trennung der ur-
sprünglich zusammengehörigen Gebiete,
und man wird sicher gut thun, die
spezifischen Merkmale böhmischer und
schlesischer Herkunft, auf die Pazaurek
aufmerksam macht, im Interesse einer
schärferen Lokalisierung unserer Museums-
bestände wohl im Auge zu behalten. Auch
für die noch ausstehende wissenschaftliche
Behandlung der Glasindustrie in Franken,
Thüringen, am Rhein und in Nieder-
deutschland, für die bisher kaum irgendwo
urkundliches Material zu Tage gefördert
worden ist, gibt Pazaurek wertvolle Hin-
weise. Die Beispiele für die Glasproduktion
dieser Teile Deutschlands sind im Nord-
böhmischen Gewerbemuseum im Ganzen
natürlich weit seltener.

Ob sich wohl für die Annahme,
dass reisende oder ausgewanderte Glas-
graveure, und zwar vorzugsweise solche
aus Böhmen, den Glasschnitt in die

verschiedensten Länder gebracht haben,
wirklich zwingende Beweise erbringen
lassen? Proben solcher nord- und mit-
teldeutscher Gläser, von denen sich eine
gut begrenzte Gruppe auf Potsdam
zurückführen lässt, finden sich auf Tafel
3i und 32.

Wiederum nach Deutschböhmen zu-
rückgeführt werden wir durch die zahl-
reichen, zum grossen Teil farbigen Gläser,
die in der reizvollen Technik der Zwischen-
vergoldung — teilweise mit blossem Ran-
kenwerk, teilweise mit figürlichen Dar-
stellungen religiöser und profaner Art,
zuweilen nach gestochenen Vorlagen —
dekoriert sind (Tafel 33-36.) Das Rokoko
macht sich dabei weniger in der Glas-
form (obwohl auch hier häufig genug
die Absicht auf « Verzierlichung» wahr-
zunehmen ist), als in den Schmuckmotiven
geltend, die sich selbst in ziemlich
schweren Gefässformen ihre Zierlichkeit
und Eleganz erhalten.

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts
setzt dann auch die Technik der Glas-
bemalung wieder ein.

Das wäre in den Hauptzügen der
Inhalt des Textes. Mit grosser Sorgfalt
hat der Verfasser überall die Analogieen
aus den Beständen anderer Museen ver-
zeichnet, vielfach ist er dann, mit reicher
Litteratur- und Materialkenntnis ausge-
stattet, in die dunkeln Teile des Gebietes
eingedrungen. Mit welchem Erfolge, davon
legen die vielen wertvollen Einzelergeb-
nisse Zeugnis ab. Man wird dem Ver-
fasser aufrichtig dankbar für seine Arbeit
sein.

Der Wunsch wird wach, dass auch
für andere lokal begrenzte Glasgruppen
ähnlich sorgfältige und eindringende Unter-
suchungen vorgenommen werden, damit
sich so allmählig das Material zu einer
Geschichte des Glases zusammenfinde, die
im gewissen Sinne, wenn sie von grossen
Gesichtspunkten ausgeht, eine Geschichte
der menschlichen Kultur überhaupt werden
könnte.

E. Polaczek.
 
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