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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 25.1876

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Renaissance-Interieurs der Schweiz, [1]
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Beschreibung der Kunstbeilagen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7031#0008
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schen Bestrebungen in den regierenden Kreisen geben konnten,
wie neuerlich durch Prof. Sal. Voegeli in Zürich nachgewiesen
wurde. Aus dieser Zeit datirt denn auch jenes oft nur zu
wahre Wort: „Point d’argent, point de Suisses.“ •— Es war
die höchste Blüthezeit der Reißlauferei, und bezeichnend genug
ist eine Bemerkung in einem Züricher Rathsmanual aus der
Mitte des 16. Jahrhunderts: „Der Hauptnutz der Statt sind
die Reben (Weinberge) und ist sunst keinerlei Gewerb in der
Statt, dessen wir uns freuen mögen." — Viele der in fremden
Diensten Stehenden kehrten nach einer Reihe von Jahren wieder
in die Heimath zurück, um dort den Rest ihrer Tage mit dem
Gelde zu verleben, das ihnen Herrendienst und fremdes Kricgs-
leben eingebracht. Sie hatten draußen in den Landen wohl
viel Glanz und Luxus gesehen, und ein einfach Gemach zu Hause
behagte ihnen wenig mehr. — In den letzten Decenuien des
16. und im Anfänge des 17. Jahrhunderts kam noch ein zweiter
Umstand hinzu, der hauptsächlich auf die protestantischen Can-
tone in günstiger Weise einwirkie. Die aus den italienischen
Vogteien vertriebenen, dem neuen Glauben anhängenden Fami-
lien, kamen über die Berge und gründeten, hauptsächlich in
Zürich, die Seidenindustrie. Da begann wieder bürgerlicher Wohl-
stand zu keimen, und mehr als ein Prachtgemach verdankt diesem
Umstände seine Entstehung. Das ganze 17. Jahrhundert war
der inneren Entwicklung der Schweiz günstig. Die Stürme
des 30jährigen Krieges umtosten die Gränzen der kleinen Re-
publik; sie selbst hatte Ruhe vor Schweden und vor Kaiserlichen.

Was nun die Kunstthätigkeit in der Schweiz um diese Zeit
betrifft, so mag der Umstand wohl der bezeichnendste sein, daß
die Kunst fast ganz nur in den Dienst der profanen Architectur
übergetreten war. Die Tischlerei stand ans einem hohen Grade
von technischer Vollendung, die Glasmalerei hatte es jetzt mit
den Zunftstuben, den Rathhäusern und Privatgemächern zu thun.
Es ist die Zeit jener prächtigen Wappenscheiben mit den schild-
haltenden Landsknechtsfiguren und den üppigreichen Decorations-
architecturen, die denn allerdings auch zuweilen das barockste
Zeug aufweisen, was nur im Gehirn eines Architecten wachsen
kann. Der Schöpfer dieser Art von Scheiben ist ohne Zweifel
Hans Holbein gewesen, von dem die Schweiz noch eine Menge
Entwürfe zu Glasgemälden, sowie auch eine Anzahl nach seinen
Zeichnungen ausgeführter Bilder besitzt. Bis spät in's 17.
Jahrhundert hinein blühte diese Technik der Schweiz, und diese
hat jetzt noch, nachdem bereits die bedentendsten Museen des
Auslandes mit Schweizer Glasscheiben versorgt sind, die der
patriotische Sinn der Bewohner verschleuderte, eine Anzahl von
Cyklen solcher Bilder, die mit zum Besten gehören, was über-
haupt aufzuweiseu ist. < Zeughaus zu Luzern, Rathhaus zu
Aarau, Rathhaus zu Basel, Schützenhaus in Basel, Schützen-
haus zu Stein a. Rh., Kreuzgang in Wettingen rc. rc.) Glück-
licherweise sind da auch die Namen mancher Künstler erhalten
geblieben, währenddem die prächtigsten Erzeugnisse der Kunst-
tischlerei stumm über ihre Verfertiger sind, — und es einem
beim Anschauen der prächtigen Intarsien wohl oft scheinen möchte,
als wären sie Produkte transmontaner Kunst. — Ich verweise
des Näheren auf die trefft- Schrift von Lübke, „die Schweizer
Glasgemälde" (in den Mittheilungen der antiqu. Gesellschaft
zu Zürich) uud auf eine ebenfalls sehr gründliche Arbeit von
Prof. R. Rahn in Antiqu.-Anzeiger.

Ein dritter Zweig handwerklicher Kunst, der zumal in der
Ostschweiz in hoher Blüthe stand, ist die Hafnerei. Eine Menge
von Oefen legen noch heute Zeugniß ab von dem künstlerisch-
moralisch-patriotischen Sinne ihrer Verfertiger. Die älteren
sind auch hier grün glasirt; das plastische Ornament, die archi-
tectonische Gliederung nehmen den ersten Rang ein. Mit dem
Fortschreiten des 17. Jahrhunderts jedoch treten diese mehr und
mehr zurück und machen der Farbe, die von nun an die Ober-
hand gewinnt, Platz. Die grüne Bleiglasnr wird ersetzt durch
einen weißen Emailgrund, auf dem in mehr oder weniger feurigen

Farben Allegorien, historische Persönlichkeiten und Scenen aus
der biblischen sowohl wie vaterländischen Geschichte auftreten. —
Diese 3 Punkte nun ermöglichten natürlicherweise eine
brillante Ausbildung von Jnnendecorationen. Gehen wir nun
auf diese etwas näher in ihren allgemeinen Grundzügen ein,
die überall charakteristisch austreten. —

Ganz abgesehen von der architectonischen Anlage der Räume,
der Treppen rc., die in den meisten Fällen eine typische Aehn-
lichkeit zeigen, lassen sich bei fast all' diesen Bauten (ich nenne
hier nur gerade eine Anzahl der brillantesten Beispiele: Fren-
lerscher Palast in Näfels, Et. Glarus, jetzt Gemeindehaus,
Seidenhof in Zürich, Schloß zu Elgg, Schloß zu Wülflingen,
Bocken bei Horgen, Zürichfee, Winkelriedhans in Stanz, Beck-
Leu'sche Hans in Sursee rc. rc.) zwei Hauptwohnräume Nach-
weisen, die den meisten Schmuck besitzen. Das eine, meistens
ein Saal mit weißen Stuccaturwänden, geschnitzter einge-
legter Holzdecke und Fließfußboden, in den meisten Fällen blos
durch ein Camin erwärmbar, — wohlgeeignet zum offiziellen
Empfang von Gesellschaften und zum Aufenthalt in der heißen
Jahreszeit, das andere, ein ganz in Holz getäfeltes Zimmer
mit Cassettendecke, regelmäßig architectonischer Wandeintheilnng,
mit Ofen. Mehr Familienzimmer, Trinkstube, Aufenthalt für
den Winter. An den ersten Raum stößt in vielen Fällen die
Hauscapelle, die zuweilen als Erker selbstständig ansgebildet
ein reizendes kleines Heiligthum darstellt, wie z. B. das Ge-
meindehaus zu Näfels eines aufzuweisen hat, eine wahre Perle
von Decoration. —

Der erste Raum, der Saal, war jedenfalls mit beweglichen
Möbeln ausstaffirt, sodaß er ebensowohl zum Bankett und Fest-
saal, wie zum Berathungsraume dienen konnte. Die Decke,
der Größe des Raumes entsprechend in kleinere oder größere
Felder getheilt, ist reich cassettirt und die Andeutungen derCon-
struction, welche die gothische Balkendecke mit ihren Hauptfeldern
und dem flachgeschnitzten, farbig behandelten Ornament charak-
terisirten, werden hier sehr gering, ja verschwinden zuweilen gänz-
lich. Oft lassen die Künstler hier ihren Capricen die Zügel
schießen und componiren in einen geometrisch vollständig gleich-
mäßigen Raum ganz verzwickte Figuren hinein. Die Wände
find meistens mit Stuckornamenten geziert uub haben große
ruhige Flächen zum Aufhängen von Bildern. Zuweilen ent-
wickelt sich eine originelle Lösung der Fensterwände. Entsprechend
den zwischen den Lichtern stehenden Pfeilern befinden sich in größerer
oder geringerer Entfernung von diesen, runde, freistehende Säulen,
die ein vollständiges reiches Gebälk in Stein tragen und durch
dieses mit der Fensterwand verbunden sind. Auf dieses setzt
dann der flache Stichbogen der Fensternische sich auf und erst
hierüber beginnt ein zweites Gebälk in Holz, das den Ueber-
gang zur cassettirten Decke vermittelt. Daß dann natürlicher-
weise zwischen der Säulenstellung und der Deckeneintheilung
eine (Übereinstimmung stattfinden muß, ist selbstverständlich.

(Schluß folgt.)

Beschreibung der Kunstbeilagen

Heft 1 Blatt 1. Salzfaß und zwei Thürklopfer, entworfen von
Th. Rocholl. In verschiedenfarbiger Bronze
ausznführen.

Heft 1 Blatt 2. Füllung, entworfen von Eisen.

Heft 2 Blatt 1. Pokal aus getriebenem oxidirten Silber — theil-
weise Vergoldung der architektonischen Pro-
silirungen — hängende Perlen am Deckel und
am untern Theil des Gefäßes. Pokal und
Untersatz entworfen von Th. Dennerlein.

Heft 2 Blatt 2. Untersatz zum Pokal. Die Figuren werden
fortgesetzt — abwechselnd männlich und weiblich
und zwar in verschiedenen Wendungen, damit
die Drehung der ganzen Reihenfolge deutlich
zum Vorschein komme.

Redigirt unter Verantwortlichkeit des Redaktionsausschusses von vr. Lichten st ein. — Kgl. Hof- u. Universitäts-Buchdr. v. Dr. E. Wolf & So h n in München.
 
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