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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 25.1876

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Lichtenstein, ...: Die Deutsche Kunst- und Kunstindustrie-Ausstellung in München, [2]
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Eingabe des Münchener Kunstgewerbe-Vereins an das kgl. Staatsministerium des Inneren
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https://doi.org/10.11588/diglit.7031#0038
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gegenstände sein sollten. Jetzt will ich die Rolle des Anklägers
mit der des Vertheidigers vertauschen. Zu den Vertheidigungs-
gründen gehört das durch alle Volksschichten sich ziehende Be-
dürfniß, etwas Schönes zum Anschauen, also Schaustücke zu
haben. In den ärmsten Familien trifft man eine hübsche Tasse,
ein hübsches Glas, einen Krug, also Gebrauchsgegenstände,
welche nicht benützt, sondern wie gesagt, zum Anschauen aufge-
stellt wetden. In reicheren Familien kommen Prunkgefäße,
Tafelaufsätze u. s. w. zum Vorschein.

Hiegegen könnte der Einwand erhoben werden, für die Be-
friedigung jenes Bedürfnisses sorge die hohe Kunst durch Ge-
mälde, Kupferstiche, Holzschnitte, welche ihrer Natur nach nur
zum Anschauen bestimmt seien, während die Gebrauchsgegen-
stände ein für allemal dazu dienen sollten, benützt und abge-
nützt zu werden. Also hätte demnach die Begierde nach schönen
Gebrauchsgegenständen, welche nicht benützt und hiedurch abge-
nützt werden sollen, gar keinen Sinn? Wenn wir in der Volks-
seele zu lesen verstehen, finden wir doch einen Sinn heraus.

Eingabe des Ausschusses des Münchener Kunstgewerbe

Mereins

an das kgl. Staatsministcrium des Innern, Abtheilung für
Landwirthschaft, Gewerbe und Handel.

Internationale Ausstellung in
- * Paris im Jahre 1878 betr.

Durch höchsten Erlaß vom 27. Sept. d. Js. E. Nr. 6507
wurde der Kunstgewerbe-Verein in München aufgefordert, sich
darüber berichtlich zu äußern, welche Stellung die von ihm ver-
tretenen Industriezweige, welche für die internationale Aus-
stellung in Paris vornehmlich in Betracht kommen, zu derselben
einnehmen.

Bemerkt wurde hiebei, wie es sehr wünschenswerth sei,
über die Stimmung der betheiligten Kreise möglichst bald Kennt-
niß zu erhalten.

In Folge dessen wurde dieser Gegenstand am 6. d. Mts.
in einer Ausschußsttzung des Kunstgewerbe-Vereines, bei zahl-
reicher Betheiligung der Mitglieder einer eingehenden Berathung
unterstellt.

2Bte dieß bei den übrigen Industriezweigen der Fall ist,
war man auch bezüglich der Kunst-Industrie einstimmig der
Ansicht,, daß die rasche Aufeinanderfolge von Ausstellungen an
und für sich weder als wünschenswerth noch als zweckmäßig
erachtet werden könne, daß solche Ausstellungen von den-Be-
theiligten immer höhere Opfer fordern, welche namentlich in
dem gegenwärtigen Zeitpunkte einer allgemeinen Stockung und
Flauheit der Geschäfte schwer zu ertragen sind, und daß abge-
sehen von diesen Gesichtspunkten gerade auf dem Gebiete der
Kunst-Industrie der Wettkampf mit Frankreich, welches in
dieser Beziehung bekanntlich nicht allein sehr bedeutende Leist-
ungen aufzuweisen vermag, sondern auch durch eine mehr denn
100 jährige Entwicklung der Kunst-Industrie von Seite seiner
luxusliebenden Fürsten eine ungeheure Praxis und großartigen
Absatz uns voraus hat, mit großen Schwierigkeiten für Deutsch-
land verknüpft sei. Anderntheils ist auch der Gedanke nicht
sehr einladend, daß die deutsche Kunst-Industrie den Franzosen
bei dieser Ausstellung nur als Folie für ihren Triumph
dienen soll.

Dennoch ist unter gewissen Voraussetzungen und Bedingungen
an einer Geneigtheit zur Betheiligung in kunstindustriellen
Kreisen München's nicht zu zweifeln, da einerseits eine Be-
theiligung anderer Staaten doch vorausgesetzt wird und Deutsch-
land nicht fehlen kann, andererseits die Erfolge der Münchener

Ausstellung die meisten deutschen Kunstindustriellen zu neuem
Streben aufgemuntert und zur Ueberzeugung gebracht haben, daß
wir der deutschen Kunstindustrie den Weltmarkt sichern können
und müssen.

Diese Voraussetzungen würden nur dann gegeben er-
scheinen

1) wenn von Seite des deutschen Reiches und resp. der Einzel-
staaten für die materielle Unterstützung der deutschen
Aussteller entsprechende Hülfe und Mittel gewährt und
für deren angemessene Verwendung Sorge getragen
werden wird;

2) wenn es möglich gemacht wird, die deutsche Kunst-Industrie
bei der Weltausstellung nach den unten dargelegten Prin-
zipien in angemessener und wirksamer Form zur Dar-
stellung zu bringen.

Nach dem von Seite der französischen Regierung anfgestell-
teu Programme werden dem Aussteller bedeutende Lasten
aufgebürdet, welche derselbe ohne Beihülfe und Unterstützung aus
öffentlichen Fonds in der Regel nicht im Stande sein wird,
zu tragen.

In München sind den Ausstellern in Bezug auf Trans-
port, Aufstellung, Versicherung und Bewachung der Gegen-
stände, zweckmäßige Verwendung des zugewiesenen Raumes,
wesentliche und große Vortheile geboten gewesen, welche die
Beschickung der Ausstellung sehr erleichterten und dadurch auch
die Lust der Betheilignng so namhaft steigerten.

Auch hier wird dafür Sorge zu tragen sein, daß dasjenige,
was durch das Pariser Programm nicht oder nicht vollständig
geboten wird, durch Beihülfe der deutschen Regierungen mög-
lichst ergänzt und erleichtert werde.

Nach der Veröffentlichung in der Pariser Amtszeitnng vom
7. September wird zwar für den angewiesenen Raum feine
Miethe gefordert; außer der unentgeldlichen Ueberlassung des
Fußbodens fallen aber alle Kosten der Einrichtung
und Ausschmückung dem Aussteller zur Last, ebenso die
Sorge für Versicherung der Objecte und Obhut der einzelnen
Räume. Was hier geboten wird, reduzirt sich sonach auf ein
Minimum, welches zur Betheiligung ebenfalls nicht sonder-
lich reizt.

Es leuchtet somit ein, daß, wenn wesentlich politische
und allgemeine Gründe die Beschickung der Pariser Aus-
stellung wünschenswerth erscheinen lassen, den Ausstellern von
Seite der deutschen Negierungen namhafte Unterstützung und
Förderung in Aussicht zu stellen ist, um sie zu Anstrengungen
zu bewegen, welche Opfer und Zeitverlust in Anspruch nehmen,
ohne nach anderen Seiten irgend einen Ersatz oder Vortheil
zu bieten.

Die Art und Weise, wie der Beschluß der deutschen Re-
gierungen in dieser Angelegenheit gestaltet sein wird, wird
daher auch von wesentlichem Einflüße auf die größere oder
geringere Betheilignng sein.

Geht man nach vorstehenden allgemeinen B?tnerkungen zu
der Frage über, unter welch' weiteren Voraussetzungen im Ein-
zelnen eine Betheiligung der Münchener Kunstindustriellen mit
Sicherheit in Aussicht genommen werden könne, so ist hierüber
Folgendes näher zu bemerken.

Das deutsche Reichskanzleramt empfiehlt zunächst eine engere
Begrenzung der Kreise für die Beschickung als bei früheren
Ausstellungen der Fall war, und bemerkt, daß nur die größeren
und angeseheneren Firmen zur Vertretung der deutschen Indu-
strie zugelassen werden sollten, welche nicht nur die Mittel be-
sitzen, um die Kosten einer angemessenen Schaustellung zu
tragen, sondern auch durch eine Produktion sich auszeichnen, die
ihren Schauleistungen inneren Werth garantire.

Daß bei der Frage der Zulassung zu der Beschickung mit
Sorgfalt und besonderer Auswahl zu Werke gegangen werden
 
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