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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 25.1876

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Berichterstattung über die im Jahre 1876 stattfindende 25jährige Jubiläumsfeier des Münchener Kunstgewerbe-Vereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.7031#0005
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Zeitschrift

des

Kunst-Gewerbe-Vereins.

Mnsmidzwmzigster Jahrgang.

München.__»' I 4 2._ 1876.

Die Zeitschrift erscheint monatlich mit wenigstens zwei Seiten Text und zwei Kunstbeilagen. Die Bereinsmitglieder erhalten die Zeitschrift unentgeltlich.
Im Buchhandel kostet dieselbe J( 7. der Jahrgang. Inserate geeigneten Inhaltes werden mit 20 Pf für den Raum einer gespaltenen Petitzeile berechnet.
St and ig e Inserate erhalten eine entsprechende Preisermäßigung. In- und Auswärtige wollen sich dieserhalb an die Buchhandlung vonTheodor Ackermann

dahier wenden.

Berichterstattung über die im Zahre 1876 stattsindende
25jährige Jubiläumsfeier des Münchener Kunstgewerbe-

Vereins.

Rede

gehalten von Herrn Inspektor von Miller,

Vereinsvorstand und Präsident des Ausstellungs-Direktoriums bei Eelegenhe it
der außerordentlichen Versammlung des Münchener Kunstgewerbe-Vereins
ani 7. Januar 1876.

Hochverehrte Versammlung!

Der Ausschuß des Kullstgewerbevereins hat sich erlaubt,
heute nicht allein seine Mitglieder zu einer größeren Versamm-
lung einzuladen, sondern auch gebeten, es möchten alle Künstler
und Kunstindustrielle, alle Freunde der Kunst und Kunstindustrie,
sowie alle jene hochherzigen Gönner aus der Bürgerschaft
Münchens, die uns so große Beweise von Freundschaft, Ver-
trauen und Theilnahme durch Zeichnungen von Garantiesummen
an dem Unternehmen bewiesen haben, dieser Versammlung bei-
wohnen. Wir haben das gethan, weil wir glauben, das Ge-
lingen einer so großen Ausstellung, wie der von uns beabsichtigten,
habe für jeden Münchner, für jeden einzelnen Bürger unserer
Stadt gleich großes Interesse und gleich hohe Bedeutung.

Ich muß aber vor Allem eine Entschuldigung aussprechen,
daß wir neben der allgemeinen Einladung durch die Tagespresse,
nicht Alle speziell einladen konnten, wie wir wollten, insbesondere
auch die Vertreter der Presse, deren Gegenwartheute so wünschens-
werth wäre.

Meine Herren! — Wir haben heute so viele Freunde und
Gönner unseres Vereines und unseres Bestrebens in unserer
Mitte, die früher nicht bei uns waren, daß Sie mir wohl ge-
statten werden mit einem kleinen Rückblicke zu entwickeln, wie
wir dazu gekommen sind, uns an ein so kühnes Unternehmen
wie diese Ausstellung zu wagen.

Unser Verein wurde gegründet 1851 und zwar nach der
großen internationalen Ausstellung in London. — Nicht blos
Engländer, sondern auch Deutsche und namentlich die Münchner,
auf einer höheren künstlerischen Stufe stehend, haben gefühlt,
wie weit uns die Franzosen in der Kunstindustrie vorausgeeilt sind.

Man forschte allenthalben nach der Ursache dieser Erscheinung
und man glaubte hie und da, es seien die individuellen Eigen-
schaften des Franzosen, die ihn für Schönheit so sehr befähigen
und empfänglich machen. — Wenn individuelle Eigenschaften
es wären, welche die Franzosen befähigten, uns soweit vor-
auszueilen — so könnten wir dagegen schlagende Beweise
liefern, daß in unendlich vielen Fällen die hervorragendsten
Werke gerade durch Deutsche entstanden, welche den Fremden
dienstbar waren und von diesen ausgebeutet wurden. Nein, es
ist k'e innige Vnkiuluug, welche in Fionkreich von jeher zwischen
Künstler und Handwerker bestand, wodurch deren Geschmack so
sehr für das Schöne sich gebildet.

Man suhlte es damals zuerst, daß die Ursache wo anders
liege, wie nothwendig es sei, die Schranke, welche bei uns
zwischen Handwerk und Kunst besteht, welche sich aufthürmt
zwischen zwei Faktoren, die naturgemäß Hand in Hand gehen
müßten, uiederznreißen.'

In jener schönen Zeit, in der unsere Knnstindustrie so
üppig geblüht, auf die wir heute noch stolz sind, wirkten Kunst
und Handwerk innig zusammen; daß diese sich getrennt und
isolirt, war Ursache unseres Verfalls im Kunsthandwerk; darum
wurde unser Verein gegründet, Künstler und Handwerker wieder
zusammenznführen, einander wieder näher zu bringen und so
die richtige Bahn für das Kunstgewerbe wieder zu finden.

Es sind das 25 Jahre und wir stehen jetzt wieder vor
einer eigenthümlichen Erscheinung, freilich ganz anderer Art,
die uns nicht minder zu ernstem Denken auffordert.

In gegenwärtigem Momente hat ganz Deutschland Muth-
und Vertrauenslosigkeit ergriffen. Wir Deutsche haben auf dem
europäischen Markt mit einer Bilanz abgeschlossen, die schrecken-
erregend ist. Das französische Volk dagegen befindet sich jetzt
finanziell in viel günstigerer Lage als Deutschland. Prüfen
wir wieder die Ursachen dieser Erscheinung, so finden wir
wenigstens als Vertreter des Kunstgewerbes den Grund wieder
darin, daß Frankreich es immer verstanden hat, Künstler und
Handwerker zusammenzuführen; der gute Geschmack, der Schön-
heitssinn dieses industriellen Volkes beherrscht die Welt, und
durch ihn werden jene Milliarden, die es im wilden Kampfe
verloren, auf friedlichem Wege rasch wieder zurückerobert.

Ist es nun gut und rathsam bei der Muth-, Geschäfts- und
Vertrauenslosigkeit, wie sie jetzt bei uns eingetreten, müßig die
Hände in den Schooß zu legen und auf bessere Zeiten zu warten? —
gewiß nicht; — müssen wir nicht wieder Hinweisen darauf, wie
die Produkte des guten Geschmacks Segen und Wohlstand ver-
breiten, und die Völker, die sie nicht pflegen, den andern tribut-
pflichtig machen. Wir glaubten, wir müßten uns jetzt aufraffen
mit aller Kraft und beweisen, was wir können, — das ist nur
möglich durch Ausstellungen.

Verhehlen wir uns nicht, in Wien hat die deutsche Kunst-
industrie eine große Schlappe erlitten. Trotz ihrer schönen und
vielen Leistungen konnte sie nicht zur Geltung kommen und der auf-
merksame Beobachter mußte sich die Gründe klar machen, indem
er sich die Fragen vorlegte — was haben wir versäumt? —
was hätten wir thun sollen? — warum sind wir unterlegen?

Da glaubten wir nun unser 25jähriges Jubiläum be-
nützen zu sollen, Versäumtes gut zu machen, anzuregen, zu
ermuntern, neue Ehre und den großen Weltmarkt für unsere
Kunstindustrie zu gewinnen; wir glaubten, als der älteste
derartige deutsche Verein, berechtigt zu sein, nach so vieljährigem
Streben, uns an die Spitze eines großen deutschen Unternehmens
wie es in der Weise noch nicht da gewesen, zu stellen; denn es
gibt keinen Verein in Deutschland, der auf diesem speziellen
 
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