Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — N.F. [1.].1873/​75

DOI Heft:
Zweites Heft (1873)
DOI Artikel:
Allgemeine Vorbemerkungen über die Technik der Stickerei
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26636#0059
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
8. Techniken der Stickerei und Stickmateriat.

II. Die Seiden- und Liunen-Sttckerei

weist eine Menge von Sticharten auf, deren Terminologie vielleicht
etwas gewagt erscheint, aber auf Grund der Vergleichung älterer Be-
zeichnung und der Beschreibung von modernen Arbeiten dürfte es be-
rechtigt erscheinen, folgende Stickweisen als allgemein geltend zu be-
zeichnen:

1. Der Pattstich.

Flach und schräg gehalten ist der Plattstich wohl eine der be-
kanntesten und allgemeinsten Stichweisen. Die Chinesen führen ihn
mit offener Seide auf Papier, Gace oder Seidenstoff mit oder ohne
Schattirung aus und zwar so kunstgerecht, daß die Vorder- wie die
Kehrseite gleich sauber ist. Die Japanesen und Orientalen verwenden
hierzu Nähseide oder Cordonetseidc und erhöhen den'Effekt dieser
Stickerei, indem sie die Lichter in Gold aufsetzen. Die Franzosen
geben dem Plattstiche, besonders für ihre kunstvollen Weißstickereien auf
Linnen oder Battist eine Unterlage von losen, langen Stichen in ent-
gegengesetzter Richtung, um die einzelnen Theile der Stickerei mehr
oder weniger hervortreten zu lassen. So ziemlich alle moderne Stickerei
auf Tuch, Leder, Seidenstoff, auf Battist oder Leinwand ist in dieser
Stichweise ausgesührt.

Für kirchlicheZwecke dient sie hauptsächlich für kleines Blatt-
Ornament und für Linnenparamenteustickerei. Es ist dabei zu beachten,
daß die Stiche bei den Blumen gegen den Mittelpunkt, bei den Blättern
gegen die Stiele zu gerichtet, schräg, flach und regelmäßig neben
einander gelegt werden. (Siehe die photolithographische Beilage,
Tafel VIII. Nr. 1, 2, 4, 5 und 6 beim eingedruckten Buchstaben a.
Diese Tafel wird für das Ange bedeutend deutlicher, wenn man die-
selbe, gut beleuchtet, durch die hohle Hand oder eine circa 20 Centi-
meter lange Papierrolle betrachtet, und das andere Auge zudrückt.)

2. Der Zopsstich.

Jn langen Stichen gekreuzt, heißt der Plattstich „Zopfstich".
Sein Name sagt, wie er zu behandeln ist. Man fängt oben an der
Spitze an und kreuzt die Stiche, als wollte man einen Zopf flechten.
Jn gedrehter Seide von einer Farbe ausgeführt, eignet er sich zu
Schriftzügen, Strahlen und dergleichen; schattirt in offener Seide, zu
z Flügeln, Reifen, Bändern und dergl.

3. Der Flammenstich.

Wird der Plattstich unregelmäßig gemacht, d. h. wendet die Stickerin
bald kurze, bald lange Stiche an, die willkürlich gleich einer Flamme
aufsteigen in die helle, oder abfallen in die dunkle Schattirung, so
heißt man ihn Flammenstich. Er eignet sich zur Herstellung von ge-
stickten Borten, Wolken und großen, regelmäßigen Ornamenten. (Ver-
gleich? Tafel VIII. Nr. 3, o.)

4. IIuiil6-1i886-Stich oöer Lilderstich.

Der senkrechte Plattstich, der gleich lange Stiche regelmäßig
v ersetzt, heißt 4Ia.v4s-1i886-Stich. Dieser Stich ahmt am täuschendsten
die Weberei nach und darf als der schwierigste, aber auch kunstvollste
bezeichnet werden. Während der unregelmäßige Plattstich die Ver-
schmelzung der Farben dadurch zu bewerkstelligen sucht, daß er in die
Seide der vorhergehenden Tour sticht, so erzielt der IIuats-Ii^^s-Stich
das Gleiche durch das bloße Jneinandergreifen der Stiche, ohne in die
Seide selbst zu stechen; und während der unregelmäßige Plattstich die
Richtung der Stiche je nach der Form des Gegenstandes wechselt, so
bleibt es beim ÜMts-lisss-Stich festes Gesetz, alle Stiche senkrecht
zu machen, und mit all' den Farben zu arbeiten, die in senkrechter
Linie in einer Tour vorkommen. Es erscheint dieß für den Anfang
schwierig, aber die Wirkung, das Harmonische und Solide solcher Ar-
beit lohnt den Aufwand an Mühe. Dieser Stich eignet sich ganz vor-
züglich zur Nadelmalerei und wird deßhalb häufig „Bilderstich"
genannt.

5. Lorb- ol>er Würfelstich.

Dieser Stich dient zur Deckung größerer Flächen, welche hervor-
treten sollen, oder zur Abwechslung mit Platt- und Haats-lisLs-Stich
in der Linnenstickerei. Während die Unterlage beim Plattstich un-
regelmäßig sein kann, muß sie beim Korb- oder Würfelstich planmäßig
angelegt werden. Man nimmt starken, steifen Leinenfaden, zieht ihn
wagerecht über die Fläche, während der Korbstich senkrecht darüber
gearbeitet wird. Man kann, feines oder starkes Geflecht nachahmend,
die Versetzung mit 1, 2 oder 3 Stichen neben einander machen, oder
dieselben würfel- oder fächerartig stellen; immer bleibt Hauptsache,
daß das Netz der Unterlage regelmäßig hergestellt sei und daß die
Stiche darüber fest schließen, damit ersteres nicht sichtbar wird. (Siehe
Tafel VIII. Nr. 2, bei s.)

6. Saild- odcr Stcppstich.

Dieser Stich dient zur Deckung von Flächen, welche zurücktreten
sollen und hat zum Gegensatze von seinem Vorgänger keine Unterlage,
sondern besteht nur aus versetzten Steppstichen, ausgeführt mit starker
Seide oder Garn. Besonders vortheilhaft läßt sich diese Stickweise bei
der Linnenstickerei verwcrthen. Hier gilt es häufig, mit zweierlei
Material Licht und Schatten herzustellen. Z. B. man will mit weiß
und rothem Garne eine Passionsblumenbordüre mit reichem Blätter-
und Blüthenschmucke ausführen. Wie wird die Stickerin verfahren,
daß die einzelnen Theile der Zeichnung von einander losgehen? Sie
kann die oben liegenden Blütter der Blumc mit weißem Garne netz-
förmig überziehen und da, wo die Fäden sich kreuzen, einen rothen
Steppstich machen; die unten liegenden wird sie mit rothem Garne des-
gleichen überspanncn und mit einem weißen Steppstiche festnähen;
den Staubfaden der Blume kann sie mit versetzten, nahe aneinander-
gerückten Steppstichen ausfüllen, das Ganze mit Tambourin- oder
Stielstich roth einfassen; reiht sie dann das Blätterwerk halb im Platt-
und halb im Knotenstiche (siehe Nr. 7) ausgeführt an, so hat sie eine
schön schattirte, solide, reiche Stickerei mit guter Wirkung erzielt.
(Siehe Tafel Vlll. Nr. 2, 3, 6 bei I.)

7. Lnopf- oder Lnolenftlch.

Derselbe wird meist angewendet, um die Wolle der Lämmer, den
Samen der Blumen und Aehnliches nachzuahmen und wird hergestellt,
indem man die Seide oder das Garn ein- bis zweimal um die Nadel
schlingt, ehe man einen gewöhnlichen Steppstich macht. Es ist darauf
zu achten, daß die kleinen Knoten lose, regelmäßig und nach
gleicher Richtung an einander gereiht werden. (Vergl. Tafel VIII.

Nr. 4, bei §.)

8. Tambourftich,

— in der Hand gearbeitet „Kettenstich" genannt — ist eine der ältesten
und bei allen Völkern beliebte Stickweise, die an Dauerhaftigkeit von
keiner anderen übertroffen wird, und bei deren Anwendung die schwie-
rigste Zeichnung kein Hinderniß bietet. Sie läßt sich in Gold, Seide
und Garn, auf dem feinsten Linnen, wie auf dem schwersten Gold-
brokat ausführen, erfordert am wenigsten Material, am wenigsten Zeit,
aber — soll die Arbeit kunstgerecht werden — große Uebung, eine
sichere Hand und einige Fertigkeit im Zeichnen. Ganz besonders eignet
sich dieser Stich um Verzierungen in Garn oder Seide auf Linnen- , ^
Paramente herzustellen. ^

----

1*
 
Annotationen