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haben. Es versteht sich fast von selbst, daß dem neuen Werk der nächstgünstige
Standort zugewiesen wurde. Das war an der Grenze von Langhaus und Chor die
Stelle vor der nördlichen „Doppelsäule", wo die nahe Sebalduskapelle auch einen
angemessenen seitlichen Freiraum bot. Um den Blick und den Durchgang nicht zu
hemmen, wurde das Werk weniger ausladend, aber umso mehr in die Höhe ent-
wickelt. Breite Flügel dürfte der Altar deshalb nie besessen haben.

Dieser Hinweis auf die Bedeutung des Sippenaltares als Kreuzaltar läßt noch
einmal die Thematik des Altares aufgreifen. Denn es ist noch die Frage zu beant-
worten, warum dieser Kreuzaltar mit dem in Niederschwaben einzigartigen Dop-
pelprogramm „aufgefüllt" worden ist.

Die Darstellung der hl. Sippe im spätgotischen Schrein war im verbürgerlichten
15. Jahrhundert ein beliebtes Motiv. Angeregt wurden die Sippenbilder durch den
vom Basler Konzil empfohlenen Kult der hl. Mutter Anna 533. Dieser hat nachweis-
bar in Gmünd besondere Resonanz gefunden 534. Die „Umkleidung" der hl. Sippe
und deren Verbindung mit Christus durch den Stammbaum werden Überlegun-
gen zur thematischen Verknüpfung des Sippenmotives mit dem Gekreuzigten ge-
fördert haben. Vorläufer könnten spätmittelalterliche Programme gewesen sein,
die den Stammbaum der hl. Anna mit der Wurzel Jesse verbunden zeigen 535; eine
Motivvermittlung könnten auch die dogmatischen Interessen jener Zeit beige-
tragen haben.

Der Gmünder Sippenaltar ist um 1510 zu datieren. Die einheitliche spätgotische
Struktur, die stilistischen Zusammenhänge und der Vergleich mit den Figuren
des Bieselbacher Altares legen diese Zeit nahe. Auch dort sind von dem Rahmen-
werk abgesehen die plastischen Stilformen noch traditionell spätgotisch. Zehn
Jahre später treten dann auch im Gmünder Raum die ersten Renaissance-Orna-
mente auf536.

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