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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 30.1931

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Heft 3
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Chronik
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Eisenstadt, M.: Die ersten Berliner Graphikauktionen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7612#0114

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CHRONIK

LESSER URY t

Der im siebzigsten Lebensjahr gestorbene Lesser Ury
hätte in gesicherten Zeiten mit seinem im Grunde ge-
fälligen Talent Publikumserfolge haben können. Statt dessen
hat Unsicherheit des Urteils ihn zugleich unterschätzt und
überschätzt. Eine unglückliche seelische Anlage hat fast krank-
hafte Vorstellungen einer imaginären Mission in ihm erweckt;
und Parteigänger haben ihm einen falschen Nimbus geschaffen.
Von dem Siebzigjährigen ist zuweilen gesprochen worden wie
von einem verkannten dämonischen Genie. Darum sind wieder
einmal Mißverhältnisse ins gleiche zu bringen; der Nachruf
muß auch zur Korrektur werden.

Ury gehörte noch, auf einem Nebenwege, als ein Außen-
seiter und als ein Maler, bei dem alles im Beinahe stecken
blieb, der großen Zeit der Malerei an. Es reichte nirgends
recht bei ihm; aber er gehörte doch dazu, weil ein echter
malerischer Ergründungstrieb in ihm war. Dieser Trieb unterlag
dann freilich immer wieder dem Geltungsbedürfnis. Es ist
Ury gelungen, Ton und Farbe reizvoll zu raffinieren; fast
nie aber gewinnen Ton und Farbe jene höhere Richtigkeit,
die dem Meisterwerk eigen ist. Diese Richtigkeit war Ury
zu wenig. Es trieb ihn zum Affekt und zum Effekt; er wurde
ein Virtuose des künstlichen Lichts — nicht nur, wie es
sich im Asphalt der abendlichen Großstadt spiegelt, sondern
auch, wie es Sonnenschein durch bengalische Beleuchtung
ersetzt. Das Beste von Ury bleiben eine Anzahl vor der
Natur gemalter Stadtlandschaften, Cafeinterieurs und die
feinen grauen, in mehr als einem Sinne belgischen Bilder
der Frühzeit. Ganz zum Problematischen mußten dagegen
die etwas zionistisch gemeinten Monumentalbilder mit alt-
testamentarischen Motiven geraten. Ury hatte das Zeug zu
einem Meister, wenn auch zu einem Kleinmeister des Lo-
kalen. Das verleugnet sich nie ganz. Diese Anlage ist je-

doch dauernd irregeleitet worden durch die Ansprüche eines
ebensowohl von innen wie von außen suggerierten Ehrgeizes.

Kunstpolitisch betrachtet hat Urys Schicksal eine Ähnlich-
keit mit dem Emil Noldes. Beiden hat ein ehrgeizig pro-
voziertet Streit mit Max Liebermann einen besonderen Ruf
und eine Partei verschafft. Die Erhöhung Urys sollte oft
eine Verkleinerung Liebermanns sein. Das ist zeitpsycho-
logisch sehr merkwürdig. Jetzt, nach Urys Tode, übernimmt
Klio das Richteramt. Eine Anzahl kleiner, anspruchsloser
Bilder werden wahrscheinlich bleiben, weil damit — trotz
einer gewissen Schrillheit — ein Abglanz des Lebens einge-
fangen worden ist, und eine Stimmung von nervös lyrischem
Reiz. Diese in die Geschichte lebendig eingehenden Bilder
lassen es beklagen, daß ein Talent quälerisch sich selbst so
oft in Frage gestellt hat, das einst berufen schien, glücklich
zu sein. K. Sch.

HANS MACKOWSKY

Am 19- November vollendete Hans Mackowsky sein sech-
_Za_ zigstes Lebensjahr. „Kunst und Künstler" verdankt die-
sem endlos spürenden, immer in seinen Stoff verliebten
Gelehrten eine Reihe sehr schöner Aufsätze über Alt-Berlin.
Die alte Berliner Kunst ist das Lieblingsgebiet Mackowskys;
sie hat er in manchen Bezirken erst neu entdeckt. Der
erste Band seines Werkes über Gottfried Schadow beweist
es. Dieser Band ist so meisterhaft, daß der Verfasser der
Öffentlichkeit den zweiten Band eigentlich nicht schuldig
bleiben dürfte. Mackowsky gehört zu jenen seltenen Kunst-
historikern, denen Wissenschaft eine höchste Form der Bil-
dung wird. Wir wünschen ihm Arbeitsruhe und Sorgenlosig-
keit, damit er recht vieles von dem geben kann, was er
noch zu geben hat. K. Sch.

UKTIONSNACHRICHTEN

DIE ERSTEN BERLINER
GRAPHIKAUKTIONEN

VON

M. EISENSTADT

In dem — unaufhaltsamen? — Verfällstempo dieses Spät-
herbstes gibt es auch auf dem Kunstmarkt retardierende
Momente; Zeichen einer Konsolidierung, einer maßvollen
Aktivität, welche die Zaghaftigkeit der Käufer durch An-
gebot eines vertrauenerweckenden, niedrig taxierten Mate-
rials besiegt. Daß die Sammlung von Zeichnungen aus dem
Nachlaß Huldschinsky bei gleichförmig guter Qualität und
einem Auswahlprinzip, welches die bildmäßige Studie durch-
aus bevorzugte, den Glanz hervorragender Stücke entbehrte,
hat den Erfolg der von Paul Graupe am 3. November ab-
gehaltenen Versteigerung keineswegs beeinträchtigt. Viel-
leicht hat im Gegenteil die aufmerksame Stimmung, von

keinem sensationellen Wettbewerb abgelenkt, dazu beige-
tragen, auch den minderen Blättern die gemäße Beachtung zu-
zuwenden. Den Verlauf der Sitzung bestimmten nicht die groß
angelegten und meist ebenso verpuffenden Spekulationen, son-
dern die bescheidenen Wünsche privater Sammler, von denen
oder in deren Auftrag die meisten Gebote abgegeben wur-
den; immerhin gibt es deren noch eine Anzahl, denen trotz
der harten wirtschaftlichen Anforderungen eine Zuflucht zum
Kunstwert oder, wie andere behaupten, eine Flucht in die
Sachwerte möglich ist.

Das bedeutendste Stück der Sammlung, „Zwei sitzende
Bauern" (23), von Pieter Breughel d. Ä. wurde bei einer
Taxe von 6000 und einem Ausrufspreis von 3000 nach kur-
zem Zweikampf zwischen Nebehay und van Diemen dem
Amsterdamer für 9100 zugeschlagen. Auch des älteren Jan
Breughels „Dorfstraße" (24) übertraf mit 1300 die Schätzung.
Dagegen fiel Jacob Ruisdaels Vorstudie zu der Hintergrunds-
ruine des Dresdner „Judenfriedhofs" (77) dem Berliner

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