Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Klemm, Gustav Friedrich
Allgemeine Cultur-Geschichte der Menschheit: nach den beßten Quellen bearbeitet und mit xylographischen Abbildungen der verschiedenen Nationalphysiognomien, Geräthe, Waffen, Trachten, Kunstproducte u.s.w. versehen (Band 3): Die Hirtenvölker der passiven Menschheit — Leipzig: Teubner, 1844

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.66507#0155
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Viehzucht. 141
Auf einen Zuchtstier werden gemeiniglich 50 Kühe gerechnet. We-
gen der Rinderheerden suchen die Kalmyken solche Gegenden zum
Winteraufenthalte, wo viele Schilfstrecken sind, weil sich das Rind-
vieh nicht in den trocknen Triften von den Psianzenükerrestew ernäh-
ren, und nicht wie die Pferde den Schnee mit den Hufen wegschar-
ren kann. Die Kühe geben ihre Milch nur, wenn die Füllen zuge-
gen sind, die denn auch deshalb immer in der Nahe der Zelte ge-
halten werden, und nur des Nachts frei saugen dürfen. Die Müt-
ter weiden in der Nahe; sollen sie gemolken werden, so treibt oder
ruft man sie herbei. Die Kühe melkt man täglich nur zweimal,
während die Stuten aller zwei Stunden ihre Milch hergeben müssen.
Ist das Kalb gestorben, so zeigt man der Mutter d§n ausgestopften
.Balg. Widerspenstigen Milchkühen treibt man einen hölzernen Pfropf
in den Mastdarm. Den Tragochsen wird bisweilen ein Holz durch
die Nase gezogen, um sie daran zu lenken. Die Mongolen des Ostens
halten auch Reitochsen, die förmlich gesattelt und gezäumt werden.
Die Schafe der Kalmyken sind größer als die europäischen,
haben krumme Ramsköpfe, große hängende Ohren und gewaltige Fett-
schwänze. Die Wolle ist grob, mit Haaren untermengt, von Farbe
weiß, schwarz oder rothbraun, und nur am Kopfe gefleckt, der bei
den Mutterschafen meist ohne Hörner ist. Auf 100 Mutterschafe
hält man einen Widder. Die Milch wird weniger benutzt, aber das
Schaffleisch ist eine dem Pferdefleische gleich geschätzte.Speise. Zum
Melken koppelt man die Schafe in einen Kreis, mit den Köpfen nach
einwärts, und nimmt ihnen dann der Reihe nach die Milch/ die vor-
züglich zum Käsemachen benutzt wird.
Das Fell benutzt man zu Pelzen, die Wolle, die man jährlich
zweimal, im Frühjahre und Herbste mit großen zweischneidigen Mes-
sern abnimmt, dient vorzüglich zu Filzen. Geschätzt sind die Felle
der frühgeworfenen zarten Lämmer, welche die Kalmyken Churuscha
nennen, und die bei uns unter dem Namen Baranken vorkommen.
Die Schafe bedürfen eben so wenig als die Pferde einer Pflege;
sie scharren ihre- Nahrung unter dem Schnee vor, und werden nur
im Winter etwas mager. Sie können bequem in einem Tage einen
Weg von 30 Werst zurücklegen. Man schlachtet die Schafe dadurch,
daß man ihnen eine Seite an der Oberlippe auffchneidet, mit der
Hand durch die Oeffnung fährt und die Luftröhre zuhaltend, dieselben
erstickt. Räude und Pocken kommen bei den Schafen zuweilen vor.
Ziegen werden in geringer Anzahl gehalten; sie sind meist bunt-
fleckig, an den Schenkeln langhaarig, oft ungehörnt, und mit Hänge-
ohren. Bei den Mongolen und Buräten dagegen findet man zahl-
reiche Ziegenheerden; die Thiere sind kleiner als die der Kalmyken,
aber sehr haarreich (Pallas Nachr. I. 179).
Die zweibucklichen Kameele gelten bei den Kalmyken als ein
Zeichen des Reichthums, erfordern auch Lei weitem mehr Pflege als
 
Annotationen