ZUR ROMANISCHEN KUNST IN DER TOSKANA
Die Bearbeitung der romanischen Kunst in der Toskana zeigt analog den
meisten anderen Arbeitsgebieten der neueren Kunstgeschichte folgende, sich aus
dem allgemeinen Fortgang dieser Wissenschaft ergebende Lage : Nach Jahrzehnten
des stilkritisch sichtenden Denkmälersammelns, das sich auf die Feststellung der
zur „Bestimmung" des Einzeldenkmals unumgänglichsten Beziehungen zu ver-
wandten Denkmälergruppen beschränkte, deren örtliche Verbreitung hier das
Gebiet einer einzelnen Stadtgemeinde in der Regel kaum überschritt, beginnt nun
das Streben nach Zusammenfassung des ganzen Denkmälerbestandes in seinem
historischen Zusammenhang und ein Suchen nach Gesichtspunkten, von denen
aus sich der künstlerische Charakter des einzelnen Werkes, der einzelnen Sonder-
richtung in ihrer Bedingtheit und Rolle innerhalb der allgemeinen geschicht-
lichen Entwicklung der künstlerischen Schaffensprinzipien verstehen und er-
klären läßt. Wir wollen hier kurz auf zwei solche neuere Arbeiten dieses Gebietes
eingehen, um vor allem auf einige aus diesen veränderten Zielsetzungen sich
ergebende methodische Aufgaben und Schwierigkeiten hinzuweisen.
I.
Dem Buch von Walter Biehl über „Die toskanische Plastik des frühen und
hohen Mittelalters"1) lag ursprünglich scheinbar die Absicht eines „Corpus"
zugrunde. Denn es umfaßt, wenigstens dem Plane nach, alles, was an ornamen-
taler und figuraler Skulptur vom Anfang des Mittelalters bis zum Beginn des
Schaffens Nicolo Pisanos in der Toskana erhalten ist. Ein solcher Vorsatz, dessen
Ausführung von größtem Nutzen gewesen wäre, ist in dem Buche jedoch nicht
durchgeführt. Es fehlt schon in dem Abbildungsteil an Vollständigkeit. Nicht
nur anderwärts, an leicht erreichbarer Stelle Veröffentlichtes und von den großen
italienischen Photographienfirmen schon Aufgenommenes (Verweise fehlen leider
gänzlich) ist weggelassen. Von vielen Denkmälern sind nur Proben gegeben
(etwa von den skulpierten Teilen der Domfassaden von Pisa und Lucca, auch der
Fassade von S. Michele in Foro in Lucca) oder sie sind ganz ausgelassen (z. B.
Gräberfunde von Lucca und ein Großteil der sogenannten langobardischen
Ornamentplatten). Das ist um so mißlicher, als auch eine systematische Aufzäh-
lung oder ein beschreibendes Verzeichnis der Denkmäler fehlt. Ein Ortsregister
hätte dem Buch, das so viel und an so viel Orten verstreutes Material behandelt,
auf keinen Fall versagt werden sollen. Der Text beschränkt sich ganz auf eine
kunsthistorische Darstellung des Gegenstandes.
II.
Der Verf. will hier, wie er in der Einleitung sagt, „Entstehung, Umfang und
Wesen der sogen. ,toskanischen Protorenaissance' auf dem Gebiet der Plastik
näher ergründen, als dies bisher geschehen war, und die Vorstufen und Grund-
, Erschienen als 2. Bd. der Neuen Folge der vom Kunsthistorischen Institut in Florenz
herausgegebenen Italienischen Forschungen. Leipzig 1926.
Die Bearbeitung der romanischen Kunst in der Toskana zeigt analog den
meisten anderen Arbeitsgebieten der neueren Kunstgeschichte folgende, sich aus
dem allgemeinen Fortgang dieser Wissenschaft ergebende Lage : Nach Jahrzehnten
des stilkritisch sichtenden Denkmälersammelns, das sich auf die Feststellung der
zur „Bestimmung" des Einzeldenkmals unumgänglichsten Beziehungen zu ver-
wandten Denkmälergruppen beschränkte, deren örtliche Verbreitung hier das
Gebiet einer einzelnen Stadtgemeinde in der Regel kaum überschritt, beginnt nun
das Streben nach Zusammenfassung des ganzen Denkmälerbestandes in seinem
historischen Zusammenhang und ein Suchen nach Gesichtspunkten, von denen
aus sich der künstlerische Charakter des einzelnen Werkes, der einzelnen Sonder-
richtung in ihrer Bedingtheit und Rolle innerhalb der allgemeinen geschicht-
lichen Entwicklung der künstlerischen Schaffensprinzipien verstehen und er-
klären läßt. Wir wollen hier kurz auf zwei solche neuere Arbeiten dieses Gebietes
eingehen, um vor allem auf einige aus diesen veränderten Zielsetzungen sich
ergebende methodische Aufgaben und Schwierigkeiten hinzuweisen.
I.
Dem Buch von Walter Biehl über „Die toskanische Plastik des frühen und
hohen Mittelalters"1) lag ursprünglich scheinbar die Absicht eines „Corpus"
zugrunde. Denn es umfaßt, wenigstens dem Plane nach, alles, was an ornamen-
taler und figuraler Skulptur vom Anfang des Mittelalters bis zum Beginn des
Schaffens Nicolo Pisanos in der Toskana erhalten ist. Ein solcher Vorsatz, dessen
Ausführung von größtem Nutzen gewesen wäre, ist in dem Buche jedoch nicht
durchgeführt. Es fehlt schon in dem Abbildungsteil an Vollständigkeit. Nicht
nur anderwärts, an leicht erreichbarer Stelle Veröffentlichtes und von den großen
italienischen Photographienfirmen schon Aufgenommenes (Verweise fehlen leider
gänzlich) ist weggelassen. Von vielen Denkmälern sind nur Proben gegeben
(etwa von den skulpierten Teilen der Domfassaden von Pisa und Lucca, auch der
Fassade von S. Michele in Foro in Lucca) oder sie sind ganz ausgelassen (z. B.
Gräberfunde von Lucca und ein Großteil der sogenannten langobardischen
Ornamentplatten). Das ist um so mißlicher, als auch eine systematische Aufzäh-
lung oder ein beschreibendes Verzeichnis der Denkmäler fehlt. Ein Ortsregister
hätte dem Buch, das so viel und an so viel Orten verstreutes Material behandelt,
auf keinen Fall versagt werden sollen. Der Text beschränkt sich ganz auf eine
kunsthistorische Darstellung des Gegenstandes.
II.
Der Verf. will hier, wie er in der Einleitung sagt, „Entstehung, Umfang und
Wesen der sogen. ,toskanischen Protorenaissance' auf dem Gebiet der Plastik
näher ergründen, als dies bisher geschehen war, und die Vorstufen und Grund-
, Erschienen als 2. Bd. der Neuen Folge der vom Kunsthistorischen Institut in Florenz
herausgegebenen Italienischen Forschungen. Leipzig 1926.