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Kritische Berichte zur kunstgeschichtlichen Literatur — 1-2.1927-1929

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Panofsky, Erwin: G. J. Kern: Die verschollene Kreuztragung des Hubert oder Jan van Eyck
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Burchard, Ludwig: Karl Tolnai: Die Zeichnungen Pieter Bruegels
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https://doi.org/10.11588/diglit.71659#0099

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nähme wurde bereits von Durrieu ins Auge gefaßt - das Mittelbld ist zwar
vorhanden gewesen, gehörte aber nicht dem Urbestand des Ganzen an, son-
dern wurde, wie das auch sonst gelegentlich geschehen ist, nachträglich einge-
fügt, um den Verkauf des Altares zu erleichtern oder um ihn einer neuen kul-
tischen Verwendung dienstbar zu machen. Wie dem aber auch sei: ehe nicht
das verlorene Mittelbild wiedergefunden ist, hat die Durrieusche Annahme
eine höhere Wahrscheinlichkeit für sich, als irgendeine Rekonstruktion; und
wenn trotz allem eine solche versucht werden sollte, müßte sie zum mindesten
besser begründet sein, als es in dem vorliegenden Falle geschehen ist.
Hamburg, Juli 1927 Erwin Panofsky

KARL TOLNAI, Die Zeichnungen Pieter Bruegels
II. Kritik der Materialarbeit
Bei seinem Buch über die Zeichnungen Pieter Bruegels leitete Karl Tolnai nicht
so sehr die Absicht, das Werk des Künstlers zu reinigen und zu vermehren als
vielmehr der Wunsch, in die Gestaltungsform dieses einzigartigen Künstlers tiefer
einzudringen als es bisher möglich war und eine neue Interpretation seines Werkes
zu geben. Unabhängig von der Lösung dieser Aufgabe - daß sie auf den Tolnai-
schen Grundlagen scheitern mußte, hat Hans Sedlmayr im 1. Heft der „Kritischen
Berichte" nachzuweisen versucht - muß diese intensive Bemühung um den Sinn
von Bruegels Schaffen T. die Augen in ganz besonderer Weise für die Eigen-
art seiner zeichnerischen Manier geschärft haben; davon zeugt seine Arbeit des
Sichtens und Vermehrens mit ihren reichen und richtigen Ergebnissen. Wenn
ich im folgenden allein über diese Seite von T.s Arbeit berichte, so tue ich
es in dem Bewußtsein, damit von Teilen der Arbeit zu sprechen, die T. nur
als beiläufig betrachtet wissen möchte1) und von denen er selber eigentlich nur
im Anhang seines Buches spricht. Ich tue es trotzdem, weil ich der Überzeugung
bin, daß die Einwände, die gegen die Gesamtdarstellung Tolnais erhoben werden
müssen, diese Teile seiner Arbeit im wesentlichen nicht treffen, die verdienstlich
und dankenswert bleiben, wie man auch über T.s Interpretationsmethode im
einzelnen oder allgemeinen denken mag.
Die Mehrung, die der Bestand an sicheren Bruegelzeichnungen durch T.s
Diese ist insofern nicht so ganz einleuchtend, als nicht recht ersichtlich wird, warum der Dieb
mit Mühe das Mittelbild herausgelöst haben sollte, anstatt das ganze Altärchen einzustecken,
das in zusammengeklapptem Zustand ein wohl etwas dickeres, aber nicht größeres und jeden-
falls durchaus transportables Paket gebildet hätte: so häufig Flügel gestohlen werden, während
das Mittelbild stehen bleibt, so selten dürfte der umgekehrte Fall vorkommen.
9 Diese Einschätzung hat Tolnai dazu geführt, Gründe für seine Zu- und Absprechungen
nur ausnahmsweise anzugeben. Daher muß auch dieser Bericht mehrfach darauf verzichten,
Gegengründe anzuführen.

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