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Kritische Berichte zur kunstgeschichtlichen Literatur — 1-2.1927-1929

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Pächt, Otto: Zur jüngsten Literatur über die gotische Tafel-und Glasmalerei Österreichs
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Musper, Heinrich Th.: Antinomien der Holzschnittkritik
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https://doi.org/10.11588/diglit.71659#0199

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Bücher hätten Aufschluß geben können), wäre auch mit dem Hinweis auf dessen
„Kennerschaft" nicht zu rechtfertigen. Man frage sich doch einmal, welche Rolle ein
solcher reiner Praktiker, wie es K. ist, in einer anderen Wissenschaft spielen würde.
Er könnte dort höchstens als Gewährsmann zu Worte kommen, der seine in un-
wissenschaftlicher Einstellung gewonnenen Erfahrungen der Forschung zugäng-
lich macht, dessen Angaben in jedem einzelnen Fall erst überprüft werden müssen.
Nur die Kunstgeschichte hat so wenig Respekt vor ihren eigenen Methoden und Ar-
beitsverfahren, daß sie einem jeden, der ihr nur die Kenntnis neuen Materials zu ver-
mitteln verspricht, blindlings auch die Verarbeitung des Rohmaterials anvertraut.
Wien, Februar 1929 Otto Pächt

ANTINOMIEN DER HOLZSCHNITTKRITIK
Die besonderen Schwierigkeiten, mit denen die Holzschnittkritik zu kämpfen
hat, liegen nicht allein darin begründet, daß Signaturen selten, Monogramme
mehrfacher Deutung fähig sind, sondern vor allem darin, daß die Verantwortung
für einen Holzschnitt nicht nur von einer Persönlichkeit, dem Zeichner, sondern
auch von einer zweiten, dem Holzschneider getragen wird. Ja, es kommt unter
Umständen noch ein Umzeichner in Frage, der die Zeichnung auf den Stock über-
trägt und so die ursprüngliche Handschrift noch einmal verdunkelt.
Diese Arbeitsteilung ist selten in ihremWesen erfaßt worden und hat daher häufig
zu im Grunde unnötigen Komplikationen geführt. Merkwürdigerweise ist man
sich bis heute nicht ganz ins klare darüber gekommen, daß der Zeichner die ent-
scheidende Person darstellt, daß der Holzschneider seine Aufgabe im allgemeinen
erfüllt, wenn er ein exakter und fleißiger Arbeiter ist. Zugegeben, daß es in der
Hochblüte des Holzschnitts, in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts, denn von ihm
soll allein im folgenden die Rede sein, einzelne Meister ihres Fachs gegeben haben
mag, die eine besondere Feinfühligkeit für die Absichten des Zeichners und für
das Wesen des Holzschnitts verbanden, so bildet ihre an sich anerkennenswerte
und wichtige Arbeit doch immer nur Voraussetzung für das Werk. Holzschnitte
von Burgkmair und vom Petrarkameister unterscheiden sich prinzipiell stilistisch,
auch wenn sie beide Male von Jost de Negker geschnitten sind. Ebenso werden
Dürers Holzschnitte als Einheit empfunden, auch wenn man annimmt, daß meh-
rere Holzschneider für ihn tätig waren. Allein im allgemeinen scheint man sich
eine ganz verkehrte Vorstellung davon zu machen, welches Maß an geduldiger
und rein mechanischer Arbeitsleistung ein Holzschnitt des 16. Jahrhunderts er-
fordert, ungeheuer viel mehr als zu Beginn des 15., als es noch keine Schraffen
und gar erst Kreuzschraffen gab1). Kein Zeichner von Rang wird seine Arbeits-
9 Von hier aus müßte auch die Frage beantwortet werden, ob und in welchem Umfang
Dürer selbst geschnitten hat.

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