LOUIS BREHIER: L'Art Chretien. Son developpement iconographique
des origines Ä nos jours. 2. Aufl. Paris 1928.
Kraus' Geschichte der christlichen Kunst war bei uns der letzte wissenschaft-
liche Versuch, der mit Brehiers Werk, das 1918 in 1. Auflage erschien, vergleich-
bar ist. Seither geriet Ikonographie bei der deutschen Kunstwissenschaft so sehr
in den Hintergrund des Interesses, daß selbst thematisch beschränkte ikonogra-
phische Untersuchungen immer seltener wurden. Ikonographie galt als Hilfs-
wissenschaft. Vom Standpunkt einer Hilfswissenschaft aber eine ganze Geschichte
der christlichen Kunst zu schreiben, sahen wir von vornherein als verkehrtes
Unternehmen an. B. hat es gewagt. Freilich konnte er sich dabei auf eine Über-
lieferung ikonographischen Arbeitens stützen, die uns fehlt.
B.s anerkannt große Gelehrsamkeit, seine Fähigkeit zur historischen Darstel-
lung bedürfen hier keiner besonderen Würdigung mehr. Daß es bei dem Umfang
und der Problematik des behandelten Gebietes immer verschiedene Möglich-
keiten der Stoffe-Auswahl und Ordnung geben wird, liegt in der Natur der Sache.
Diese Besprechung hat nicht die Absicht, das Gebotene im einzelnen zu kriti-
sieren. Sie sucht die Auseinandersetzung über einige prinzipielle Fragen und über
Einzelnes nur, insofern es das Prinzipielle verdeutlicht.
Auch B. betrachtet die Ikonographie als science auxiliaire de l'histoire de l'art,
deren Gegenstand an sich ist l'evolution des styles, c'est-ä-dire la forme. Andrer-
seits darf die Ikonographie nicht vollständig auf die Würdigung der formalen
Tatsachen verzichten. Il est impossible de diviser en categories distinctes ce qui
etait intimement uni dans la pensee de l'artiste (S. if.). Vornehmlich aus dieser
Einsicht mag B. die ikonographische Betrachtung auf die Kunst der Renaissance,
des Barock, selbst der neuesten Zeiten ausgedehnt haben. Dennoch bleibt für B.
der Dualismus zwischen Ikonographie und Stilgeschichte, den er halbwegs über-
winden möchte, grundsätzlich bestehen (deux aspects de l'histoire de l'art). Dabei
scheint er von mechanistischen Anschauungen nicht frei zu sein: l'iconographie
chretienne . . . s'est transformee en raison des progres techniques (11); diese waren
es, die im 12., 13. Jahrhundert die künstlerische Verwirklichung der theologischen
Programme ermöglichten (189, S. 298 wenigstens: les progres de la technique
et du style). Auf der anderen Seite hält B. dafür, daß erst ikonographische Be-
trachtungen über die Natur des religiösen Gefühls unterrichten, uns eindringen
lassen dans le domaine mysterieux de la conscience religieuse. Doch... c'est
par lä que la portee de l'iconographie depasse dans une certaine mesure celle de
l'histoire de l'art (2). Man dreht sich etwas im Kreise.
Es gehört zu den übereinkömmlichen Überzeugungen, daß es die Ikonographie
im wesentlichen mit gleichbleibenden Dingen zu tun habe. B. unterscheidet
Gleichbleibendes und Veränderliches. Zum Gleichbleibenden rechnet er z. B. das
ständige Vorkommen von Ochs und Esel in der Geburtsszene oder etwa die
Nacktheit der Füße Christi und der Apostel, die ideale Kleidung Christi, den
Nimbus. Zum Beweis der Veränderungsmöglichkeiten stellt er gleich in der Ein-
leitung zwei verschiedene Kompositionen der Geburt Christi gegenüber. Die
195
des origines Ä nos jours. 2. Aufl. Paris 1928.
Kraus' Geschichte der christlichen Kunst war bei uns der letzte wissenschaft-
liche Versuch, der mit Brehiers Werk, das 1918 in 1. Auflage erschien, vergleich-
bar ist. Seither geriet Ikonographie bei der deutschen Kunstwissenschaft so sehr
in den Hintergrund des Interesses, daß selbst thematisch beschränkte ikonogra-
phische Untersuchungen immer seltener wurden. Ikonographie galt als Hilfs-
wissenschaft. Vom Standpunkt einer Hilfswissenschaft aber eine ganze Geschichte
der christlichen Kunst zu schreiben, sahen wir von vornherein als verkehrtes
Unternehmen an. B. hat es gewagt. Freilich konnte er sich dabei auf eine Über-
lieferung ikonographischen Arbeitens stützen, die uns fehlt.
B.s anerkannt große Gelehrsamkeit, seine Fähigkeit zur historischen Darstel-
lung bedürfen hier keiner besonderen Würdigung mehr. Daß es bei dem Umfang
und der Problematik des behandelten Gebietes immer verschiedene Möglich-
keiten der Stoffe-Auswahl und Ordnung geben wird, liegt in der Natur der Sache.
Diese Besprechung hat nicht die Absicht, das Gebotene im einzelnen zu kriti-
sieren. Sie sucht die Auseinandersetzung über einige prinzipielle Fragen und über
Einzelnes nur, insofern es das Prinzipielle verdeutlicht.
Auch B. betrachtet die Ikonographie als science auxiliaire de l'histoire de l'art,
deren Gegenstand an sich ist l'evolution des styles, c'est-ä-dire la forme. Andrer-
seits darf die Ikonographie nicht vollständig auf die Würdigung der formalen
Tatsachen verzichten. Il est impossible de diviser en categories distinctes ce qui
etait intimement uni dans la pensee de l'artiste (S. if.). Vornehmlich aus dieser
Einsicht mag B. die ikonographische Betrachtung auf die Kunst der Renaissance,
des Barock, selbst der neuesten Zeiten ausgedehnt haben. Dennoch bleibt für B.
der Dualismus zwischen Ikonographie und Stilgeschichte, den er halbwegs über-
winden möchte, grundsätzlich bestehen (deux aspects de l'histoire de l'art). Dabei
scheint er von mechanistischen Anschauungen nicht frei zu sein: l'iconographie
chretienne . . . s'est transformee en raison des progres techniques (11); diese waren
es, die im 12., 13. Jahrhundert die künstlerische Verwirklichung der theologischen
Programme ermöglichten (189, S. 298 wenigstens: les progres de la technique
et du style). Auf der anderen Seite hält B. dafür, daß erst ikonographische Be-
trachtungen über die Natur des religiösen Gefühls unterrichten, uns eindringen
lassen dans le domaine mysterieux de la conscience religieuse. Doch... c'est
par lä que la portee de l'iconographie depasse dans une certaine mesure celle de
l'histoire de l'art (2). Man dreht sich etwas im Kreise.
Es gehört zu den übereinkömmlichen Überzeugungen, daß es die Ikonographie
im wesentlichen mit gleichbleibenden Dingen zu tun habe. B. unterscheidet
Gleichbleibendes und Veränderliches. Zum Gleichbleibenden rechnet er z. B. das
ständige Vorkommen von Ochs und Esel in der Geburtsszene oder etwa die
Nacktheit der Füße Christi und der Apostel, die ideale Kleidung Christi, den
Nimbus. Zum Beweis der Veränderungsmöglichkeiten stellt er gleich in der Ein-
leitung zwei verschiedene Kompositionen der Geburt Christi gegenüber. Die
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