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Kritische Berichte zur kunstgeschichtlichen Literatur — 1-2.1927-1929

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Stechow, Wolfgang: Illa Budde: Die Idylle im holländischen Barock
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https://doi.org/10.11588/diglit.71659#0208

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im Grunde über die Idylle hinauswachsenden Werke meist im „durchschnitt-
lichen" Sinne verstanden wurden: Das Goldene Zeitalter trotz ein wenig Liebes-
schmerz - viel mehr mag das große Publikum darin nicht gesehen haben, und
viel mehr auch kaum die Schar der Nachahmer. Indem nun aber die Autoren
der „harmlosen" Idylle in den Personen des Spiels nur ihr eigenes (vielfach
affektiertes) Wunschbild entwerfen, verfälschen sie erst recht von vornherein
deren „thematischen" Lebensgehalt; dies steigert sich schnell bis zum Überdruß,
zumal die geringe motivische Auswahl innerhalb des gegebenen thematischen
Komplexes zu ständigen Wiederholungen führen muß. Dieses Schicksal hat in
der Tat die Idylle in allen Hauptperioden ihrer Entwicklung rasch ereilt.
Es ist notwendig, sich dieser Definition zu erinnern, wenn man das Wesen der
gemalten Idylle nicht verunklärt fassen will (auf die Malerei darf man sich inner-
halb der bildenden Kunst billig beschränken). Sie ist eine PWWerscheinung zur
literarischen Idylle, und für sie gilt zunächst das, was für die „leichtere" Form
jener bemerkt wurde: Das Unnaive und Bewußte der Auffassung pflegt zu-
sammenzugehen mit der Naivität und Unbewußtheit in dem geschilderten Leben
der „thematischen" Personen, der Götter, der Hirten. Entscheidend ist nun aber
hier die viel stärkere Betonung der Landschaft, die jetzt nicht nur als Verkörpe-
rung der „Natur" - wie in der Dichtung -, sondern auch als spezifisch malerischer
Raum ihre Rechte, doppelte Rechte geltend macht und der gegenüber das be-
schauliche oder doch leichtbeschwingte Figurenmotiv meist zur Staffage zu-
sammenschrumpft. Dies ist das Wesentliche; daß dabei häufig eine unmittelbare
thematische Befruchtung der Malerei durch die Literatur vorliegt, ist, wenn auch
wichtig genug, doch erst in zweiter Linie wichtig - der tiefere Gehalt jener
Schöpfungen konnte ja in den paar „schilderachtigen" Szenen, die die Malerei
aus ihnen entnahm, gar nicht zum Ausdruck kommen; und selbst wo das einmal
möglich gewesen wäre, war der Erfolg sehr bescheiden (was die Vf. am Beispiel
der Interpretation der dichterisch ergreifenden Szene zwischen Silvio und der
verwundeten Dorinda durch Saftleven übrigens auch ausgeführt hat; hier wirkte
wohl auch der Zwang höfischer Glättung).
In Italien ist die hohe Zeit der literarischen Idylle die zweite Hälfte des 16. Jahr-
hunderts, in Holland erst das entwickelte 17., unter stärkster Anlehnung an das
italienische Gut: ja Holland hat trotz einer ganzen Reihe origineller Züge keine
wesentliche Umschöpfung der italienischen Vorlage zu vollbringen vermocht.
Um so wichtiger ist es zu betonen, daß auf dem Gebiet der Malerei der Norden
und in besonderem Maße Holland eine Form der Idylle geschaffen hat, die Italien
nicht kannte - und nicht kennen konnte, weil in ihr die vorher im Sinne der Sehn-
sucht nach „antikischer" Natur gefaßte Idylle in die Idylle der Italiensehnsucht
umschlug. Die Stelle des Gottes und Schäfers als reinen Naturwesens hat nun
auf einmal der Campagnabauer eingenommen, der ewig blaue Antikenhimmel
wird als Ziel der Sehnsucht durch die immer goldene Abendsonne Italiens ab-
gelöst. Hier liegt der selbständige Wert der holländischen Idyllenmalerei gegen-
über Italien, aber auch gegenüber ihrem größten Anreger Claude Lorrain, bei

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