132
Der Syrisch-römische Krieg.
der Nähe seiner Landesmittel. Das ist eine bekannte Erfahrungs-
tatsache der Kriegsgeschichte und eine der festesten Sätze der
Kriegstheorie1). Ganz besonders ist es so, wenn nicht Soldheere die
Kriegsmittel bilden, die man auch im feindlichen Lande leichter er-
gänzen kann, sondern wenn lebendige Volkskraft in den Kampf ge-
führt wird, wie das bei Rom der Fall war. Wenn man also den
Gegner nicht vernichten, sondern nur nötigen wollte, den Anspruch
auf ein Streitobjekt aufzugeben, das man in der Hand hielt, so war
es weit leichter und erfolgverheifsender, ihn stehenden Fufses zu er-
warten oder nur so weit in seine Machtsphäre einzugreifen, dafs man
ein ihm wertvolles Besitztum in Beschlag nehmen und ihn durch
dessen erfolgreiche Verteidigung geneigt machen konnte, auf seine
Ansprüche zu verzichten. Traf es sich dabei günstig, dafs durch ein
solches Vorgehen dem Feinde Bundesgenossen entzogen und die
eigenen Kräfte erhöht wurden, so lag darin ein Grund mehr, aus der
reinen Defensive zu einer beschränkten Offensive überzugehen2).
Diese Strategie, welche nicht erst von der vollen Kampf-
unfähigkeit des Gegners, sondern schon von dessen relativer Schwächung
ihre Erbfolge erwartet, mufste dem Antiochos um so mehr naheliegen,
als er ihr einen guten, wenn nicht den besten Teil seiner bisherigen
Erfolge verdankte. Die meisten seiner Gegner waren den Er-
wägungen, welche der jedesmalige Stand der Kriegslage nahelegte,
den Wahrscheinlichkeitsrechnungen des Erfolges und den Rücksichten
auf die Gröfse der zu bringenden Opfer ebenso wie er selbst zu-
gänglich gewesen, und so war man weder in Ägypten noch in
Armenien, weder in Baktrien noch in Parthien zum Äufsersten ge-
schritten: ein Kompromifs auf Grund der augenblicklichen Lage hatte
hier überall den Streit geendet.
Von diesen Erfahrungen seiner bisherigen Tätigkeit mufste der
König ausgehen, und danach ist die Besetzung Griechenlands zu be-
1) Clausewitz Bd. I, Nachricht S. XL
2) Es handelt sich hier also um diejenige Art der Kriegführung, -wo,
wie Clausewitz in der „Nachricht" (Scherff, S. XI) sagt, der Zweck nicht das
Niederwerfen des Gegners ist, sondern „wo man blofs an den Grenzen seines
Reiches einige Eroberungen machen will". Also um eine „Offensive mit be-
schränktem Ziel", die darum noch keine Ermüdungsstrategie zu sein braucht,
sondern in Anwendung der Operationsmittel auf dem beschränkten Kriegsschau-
platz volle Freiheit hat. Man vergleiche Cämmerer S. 91 f. und oben S. 4 A. 2.
Der Syrisch-römische Krieg.
der Nähe seiner Landesmittel. Das ist eine bekannte Erfahrungs-
tatsache der Kriegsgeschichte und eine der festesten Sätze der
Kriegstheorie1). Ganz besonders ist es so, wenn nicht Soldheere die
Kriegsmittel bilden, die man auch im feindlichen Lande leichter er-
gänzen kann, sondern wenn lebendige Volkskraft in den Kampf ge-
führt wird, wie das bei Rom der Fall war. Wenn man also den
Gegner nicht vernichten, sondern nur nötigen wollte, den Anspruch
auf ein Streitobjekt aufzugeben, das man in der Hand hielt, so war
es weit leichter und erfolgverheifsender, ihn stehenden Fufses zu er-
warten oder nur so weit in seine Machtsphäre einzugreifen, dafs man
ein ihm wertvolles Besitztum in Beschlag nehmen und ihn durch
dessen erfolgreiche Verteidigung geneigt machen konnte, auf seine
Ansprüche zu verzichten. Traf es sich dabei günstig, dafs durch ein
solches Vorgehen dem Feinde Bundesgenossen entzogen und die
eigenen Kräfte erhöht wurden, so lag darin ein Grund mehr, aus der
reinen Defensive zu einer beschränkten Offensive überzugehen2).
Diese Strategie, welche nicht erst von der vollen Kampf-
unfähigkeit des Gegners, sondern schon von dessen relativer Schwächung
ihre Erbfolge erwartet, mufste dem Antiochos um so mehr naheliegen,
als er ihr einen guten, wenn nicht den besten Teil seiner bisherigen
Erfolge verdankte. Die meisten seiner Gegner waren den Er-
wägungen, welche der jedesmalige Stand der Kriegslage nahelegte,
den Wahrscheinlichkeitsrechnungen des Erfolges und den Rücksichten
auf die Gröfse der zu bringenden Opfer ebenso wie er selbst zu-
gänglich gewesen, und so war man weder in Ägypten noch in
Armenien, weder in Baktrien noch in Parthien zum Äufsersten ge-
schritten: ein Kompromifs auf Grund der augenblicklichen Lage hatte
hier überall den Streit geendet.
Von diesen Erfahrungen seiner bisherigen Tätigkeit mufste der
König ausgehen, und danach ist die Besetzung Griechenlands zu be-
1) Clausewitz Bd. I, Nachricht S. XL
2) Es handelt sich hier also um diejenige Art der Kriegführung, -wo,
wie Clausewitz in der „Nachricht" (Scherff, S. XI) sagt, der Zweck nicht das
Niederwerfen des Gegners ist, sondern „wo man blofs an den Grenzen seines
Reiches einige Eroberungen machen will". Also um eine „Offensive mit be-
schränktem Ziel", die darum noch keine Ermüdungsstrategie zu sein braucht,
sondern in Anwendung der Operationsmittel auf dem beschränkten Kriegsschau-
platz volle Freiheit hat. Man vergleiche Cämmerer S. 91 f. und oben S. 4 A. 2.