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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 61.1910-1911

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Meyer-Riefstahl, Rudolf: Die Ausstellung muhammedanischer Kunst in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7091#0038

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Die Ausstellung Mohammedanischer Kunst in München.

57- Pokal aus bräunlichem Glas mit hohem Fuß und reicher
Bemalung (Syrien, Iahrh.).

Umrisse in dunkelrot, Vrnamentranken gold, mit Lmailblumen
in blau, rot, grün, weiß, Medaillons mit blauem Emailgruud.
p/s d. wirkl. Größe.) Besitzer: Sarre, Berlin.

Dem Gebiet der Webekunst nahe verwandt ist
die orientalische Teppichkunst. Obwohl anzu-
nehmen ist, daß die orientalische Teppichkunst bis in
altersgraue Zeiten hinaufgeht, so sind uns dochTeppiche
in größerer Anzahl wohl erst aus der Zeit um f500
erhalten. Die Kontroversen über diese Frage sind
noch nicht entschieden, da wir nicht genügend datiertes
Material besitzen. Die Teppiche erlauben den besten
Einblick in die Gesetze der orientalischen Kunst.
Neben streng architektonisch gegliederten Stücken mit
großgezeichneten Palmettenblüten und Ranken, die
zum Teil noch in das fünfzehnte Jahrhundert gehören
mögen, treten im sechzehnten Jahrhundert in Persien
die zierlich komponierten, mit Medaillons, zahlreichen
Tiergestalten und verwickeltem Rankenwerk geschmück-
ten Teppiche, die in koloristischer wie linearer Kom-
position von einem seiner Mittel vollkommen bewußten
Kunstschaffen zeugen. Der schönste dieser Teppiche,
der große seidene Iagdteppich des Kaisers v. Öster-
reich bildete den Mittelpunkt der Münchener Aus-
stellung. Die hier abgebildeten Teppiche sind ein sog.
Peratteppich mit reichem Rankenwerk, Palmettenblüten

und Tiergestalten (Abb. sowie ein ganz später Ver-
treter der sog. Gartenteppiche, in deren Felde sich die
schematische Darstellung eines Gartens mit seinen
Wasserläufen, Wegen und Blumenbeeten befindet.
(Abb. ^6). Gerade diese Teppichgattung ist uralt. Als
das Peer der Araber im Jahre 635 die Stadt Ktesiphon,
die Pauptstadt des sassauidischen Reiches, eroberte,
fiel ihin im Palaste des Königs ein großer solcher
Gartenteppich in die pände, welcher den Namen
„der Frühling des Thosroes" führte. Auf diesem
Teppiche hielten die Fürsten von alters her im
Winter ihre Gelage ab, wenn die Kälte den Auf-
enthalt in den Gärten des Palastes nicht gestattete.
Dieser Teppich war reich mit Gold, Silber und Edel-
steinen durchwirkt. Die Araber zerschnitten ihn und
verteilten seine einzelnen Stücke an ihre Peerführer
als Ehrensold.

Über die türkischen Teppiche ist dasselbe
zu sagen wie über die türkischen Gewebe. Obwohl
sie eine Reihe neuer Motive, so die naturalistisch
wiedergegebenen Nelken, Tulpen, Rosen und Stern-
blumen einführen, so sind sie doch schematischer und
weniger persönlich iin Aufbau als die persischen
Arbeiten.

Eine andere Gruppe von Teppichen, die man
in ihrer Eigenheit erst seit kurzer Zeit erkannt hat,
sind die Teppiche, welche in Indien entstanden
sind. Unter den indischen Teppichen, die sich durch
ihre asymmetrische Komposition charakterisieren, ist
wiederum eine Airzahl besonders feiner auf seidener
Kette geknüpfte Arbeiten hervorzuheben, die an den
pöfen der Mogulkaiser entstanden sein mögen. Unsere
Abbildungen (^7—^9) bringen zwei besonders her-
vorragende Stücke indischer perkunft, darunter einen
Gebetsteppich.

Es wären noch einige weniger bedeutende Ge-
biete der Kunstübung zu nennen, so in erster Linie
die Kunst, das Glas mit E in ail färben zu schmücken,
eine Kunst, die besonders in Syrien im f3. und

Jahrhundert blühte. Die Ausstellung brachte
eine große Anzahl von Moscheelampen und anderen
Glasgefäßen syrischer Provenienz, zum Teil mit
ägyptischen Protokollarwappen. Aus dem ägyptisch-
syrischen Gebiete drang die Glastechnik nach Europa,
wo sie besonders in Italien vorbildlich wirkte. Die
italienische Glastechnik, die bekanntlich in und bei
Venedig ihren Sitz hatte, wirkte ihrerseits wieder auf
den Orient zurück: die persische Glastechnik des \7.
und \8. Jahrhunderts ist durchaus von den vene-
zianischen Gläsern in Technik und Form abhängig.
5o ist auf diesem Gebiete der kulturelle Austausch
zwischen Abend- und Morgenland besonders gut zu
verfolgen.

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