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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 61.1910-1911

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Hillig, Hugo: Die Tapetenausstellung in Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.7091#0357

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Die Taxeten-Ausstellung in Hamburg.

(Die TapeienauesteEung in
Hamburg.

ls Gegenstoß zur Ausstellung be-
inalter Wohnräume, haben auf
Anregung der Tapetenhändler von
Hamburg-Altona die deutschen
Tapetenfabriken in einem großen
Patrizierhause in der Herdinand-
straße eine Tapetenausstellung relativ großzügiger
Art arrangiert. Das ganze paus ist bis in das
dritte Stockwerk dem Zwecke dienstbar gemacht,
indem alle Räume tapeziert worden sind. Der Pos
ist mit einer Palle überbaut, tu der außer einem
Tapetendruckraum mit einer Tapetendruckmaschine
und pättgedruckntaschine in Betrieb drei Galerien
eingefügt sind, die wandweise und bahnweise Ta-
petendckorationen der verschiedensten Art zeigen.
Außerdein ist hier eilte Sonderausstellung der Lino-
leumindustrie und eine Hormenstecherwerkstatt unter-
gebracht. Zn einem aitderen Raunt befindet sich
eine Ausstellung von lichtechten Tapetendruckfarben.
Die Räunte selbst sind, wenn auch meist spärlich,
möbliert und beinahe
wohnlich eingerichtet. Tine
Ausstellung von originalen,
noch nicht für die Tapeten-
industrie angeworbenen und
allerdings auch nur selten
dafür geeigneten Tapeten-
entwürfen hamburgischer
Damen schließt sich an und
in dem Hormenstecher-
pavillon ist eine Muster-
kollektion von Tapeten
ausgestellt, die die deutsche
Tapetenindustrie nach den
Balkanländern und dem
Orient exportiert, dent Ge-
schmack dieser Länder an-
gepaßt und in ganz beson-
ders billiger Ausführung.

Man möchte lieber wün-
schen, daß diese Art von
Tapeten nicht deutsches Er-
zeugnis wären, demt in den
Mittelmeerländcrn treffen
jetzt die europäischen Völker
fast mehr aufeinander, als
auf dem Kontinente selbst
und da ist das macke in ger-
many dieser Tapeten kein

Ruhmestitel für die deutsche Industrie und man wird
sehr leicht Unterschiede machen zwischen Weltaus-
stellungsparaden und wirklichen Exporterzeugnissen.

Wenn man von Tapeten spricht und sie in dem
ganzen Umfange ihres Begriffes in einer Spezial-
ausstellung vorführen will, so heißt es weit aus-
greifen. Wie viel die Extreme der Tapete von ein-
ander entfernt sind, das zeigt eine besonders inter-
essante Sammlung historischer Tapeten, die mit alten
Damastgeweben mtd echten alten Ledertapeten den
Reichtum edler Wandbekleidungsmaterialien zeigen,
dann aber in vielfachen Tapetenntustern aus dem acht-
zehnten und neunzehnten Jahrhundert dartun, welch
rätselhaftes Ding doch der Geschmack einer Zeit ist.
Wir sind heute nicht mehr fähig, uns iit deit Ge-
schmack der Tapeten von \825 bis f860 hineinzu-
denken. Wir empfinden sie fast als den Gipfel der
denkbaren päßlichkeit. Die Tapetenntanufakturen
jener Zeit gingen noch darauf aus, sich mit ihren
Produkten an die Stelle der Dekorationsmalerei zu
setzen und sie fertigten Teilstücke von solchen Stuben-
malereien, sowohl für die Wand, als auch für die
Decke, die dann an Ort und Stelle zusammengesetzt
wurden. Die Praxis hat bald damit aufgeräumt;

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