Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 61.1910-1911

DOI Artikel:
Pudor, Heinrich: Vorboten eines neuen Stiles?
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7091#0356

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Vorboten eines neuen Stiles ?






:

5LH. (Hamburger Taxeten-Ausstellung) Zimmer einer Dame. Rauinausstattung von tviberg 6c Sohn, Hamburg.

sucht. Ja, manchmal wie ein innerliches Verbluten.
Und bis heute ist es nicht weiter gekommen. <£s
kam der Rückschlag in die Mathematik sozusagen,
in die kühle Rechnung von Sachlichkeit, Zweck-
mäßigkeit, von: Material und Technik. Wo blieben
die Ideale? Wo blieb die Lehnsucht eines Burne
Jones? peladan lebt noch. Auch Maeterlinck lebt
noch. Tr, der die sehnsüchtigsten Stücke fürs Theater
schrieb, in denen die Menschen blind geworden sind,
weil das Leben bei ihnen nach innen, statt itach
außen schlägt. Aber Maeterlinck selbst wurde da
nach reif und bekehrt. Nun leben wir immer noch
in der Lehnsucht nach dem Fortgang der gothischen
Strömung, in der Sehnsucht nach Sehnsucht. Und
unsere Seele wird in der Großstadtluft schal, wie
abgestandenes Wasser. Gewiß, korrekt sind wir im
neuen Uunstgewerbe geworden. Der Biedermeier-
Hat uns dazu erzogen. Und wie gierig griffen wir
nach dein bißchen Innerlichkeit und Gemüt, das im
Biedermeier zum Ausdruck kam!

Um es kurz zu sagen: wir sind satt an der
Linie. Wir sind überdrüssig dieser rein geonretrischen
Linienornamente. Und wenn sie noch so korrekt
snrd — es friert uns innerlich dabei. Ja, wir
möchten schreien nach dem Leben, nach deni blühenden

Leben, nach den Unospen der Rosen, nach sprudelnden
Quellen, nach dem Blätterwald, nach dem Märchen,
nach dem Rinde, nach Wiesentau und Morgenröte.

Noch ein paar Jahre mehr von diesem Linien-
kultus und er wird uns anekeln. Und wie dürres
Stroh wird er uns anmuten. So als ob wir mit
Tis oder Steinen unseren Herd wärmen wollten, statt
mit glühenden Aohlen oder knisterndem Holze.

Der Volksmund nennt es: etwas fürs Herz soll
es fein. Ttwas fürs Gemüt wollen wir haben.
Und der Biedermeier gibt uns auf die Dauer nicht
genug davon. Tr ist selbst nur zu sehr und aus-
schließlich korrekt. Lieber noch byzantinisch oder
nordisch-germanisch. Sollte es nicht möglich fein,
ganz da drunten wieder anzuknüpfen, an den ersten
Regungen des germanischen Aunsttalentes, an die
Zeit, als noch das Deutsche unentstellt war von
fremden Zutaten oder aber das Fremde durchar-
beitete, bis es eiugegliedert und deutsch geworden war?

Der heutige Drang nach völkischer Befreiung
hängt mit jener Sehnsucht zusammen oder auch um-
gekehrt: die deutsche Volksseele will ihre
Lider offnen....
 
Annotationen