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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 61.1910-1911

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Kleine Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7091#0040

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Kleine Nachrichten.

59. Persischer Bucheinband (>S. Jahrh.).

Dunkelrotes Leder mit Reliefpressung in zweierlei Gold;

Blümchen dunkelblau.

(2/s d. wirk!. Größe.) Besitzer: Peytel, Paris.

lichen Arbeit. Zur Zeit der Jugend der Werkbund-
gründer trat in Deutschland eine geistige Bewegung
aus, die sogenannte kunstgewerbliche Bewegung, die
sich gleich anfangs kein geringeres Ziel setzte, als das,
geradenwegs einen unserer Zeit und dem deutschen
Volke eigenen, neuen Stil in den Werken der Kunst
zu sinden. Bald erkannte man aber, daß ein neuer
Stil nur mittelbar gewonnen werden könne, sowie
daß das Suchen nach einem neuen Stil über das Ge-
biet des künstlerischen Schaffens weit hinausgehe,
und daß er sich nur am deutlichsten in den Werken
der Kunst zeige. Dies führte zur Einsicht, daß das
ursprüngliche Ziel der Bewegung nicht so rasch er-
reicht werden könne. Ihr Ergebnis besteht vielmehr
darin, daß man auf die Grundlagen alles Schaffens,
das Notwendige und Vernünftige, zurückgriff und

die drei von der Technik herübergenommenen Ge-
staltungsgrundsätze der Zweckmäßigkeit, Konstruktions-
richtigkeit und Stoffechtheit als erste und wichtigste
Forderungen gegenüber jeglicher Produktion, der
handwerklichen, der fabrikmäßigen und der künst-
lerischen, verkündigte. So ging die Bewegung, die
nun zu einem klaren Programm ausgereift ist, wohl
vom Kunstgewerbe aus, um allmählich die ganze
Produktion zu ergreifen und überall die Durchsetzung
der Qualitätsarbeit als Ziel hinzustellen. Da die
seelische Voraussetzung des Bekenntnisses zur Qualitäts-
arbeit eigentlich ein selbstbewußtes und ehrliches Be-
kennen der eigenen Persönlichkeit ist, wird es begreiflich,
daß die Qualitätsarbeit da und dort am meisten
verbreitet war und ist, wo und wann in den wirt-
schaftlichen Zuständen der menschlichen Gesellschaft
eine bewußte Ordnung bestand. Der Vortragende
zeigt dies an Beispielen aus der Geschichte, insbe-
sondere an den bewunderungswürdigen Einrichtungen,
die in den alten Zünften zur Zeit der Blüte der
Stadtwirtschaft vorhanden waren und die bald durch
Gesetze, bald durch Vcrwaltungseinrichtungen, bald
durch einen bewußt entwickelten öffentlichen Geist
die Herstellung „gerechter Ware" sicherstellten. Als
dann die neue und neueste Zeit herankam und unseren
fänden wieder einmal die Herrschaft über die wirt-
schaftlichen Vorgänge entglitt und an die Stelle der
früheren Ordnung bloße Zusammenhänge traten,
gingen alle jene Schutzmittel der Qualitätsarbeit
wieder verloren. Die zwischen dem Ende des f8. Jahr-
hunderts und der Witte des Jahrhunderts überall
verkündigte schrankenlose wirtschaftliche Freiheit ist
fast einem Eingeständnisse gleichzuhalten, daß nun
ntit dem bewußten Aufbaue einer wirt-
schaftlichen Ordnung von vorn angefangen
werden müsse. Wenn uns nun auch klar sei,
daß ein neuerlicher, vollkommener Sieg der Qualitäts-
arbeit gleichbedeutend sei mit der Durchsetzung jener
sicherlich wiederkommenden Ordnung der wirtschaft-
lichen Verhältnisse, so können wir doch schon jetzt
teils mittelbar, indem wir die Ansätze zur neuen
Ordnung pflegen, teils unmittelbar durch die Ver-
breitung der Erkenntnis des staatsbürgerlichen Wertes
der Qualitätsarbeit, die Entwicklung beschleunigen.
Selbstverständlich dürfen unter den Ansätzen der
neuen Ordnung nicht die Reste der alten Ordnung
verstanden werden, die hie und da in nrehr oder
weniger brüchigem Zustand vorhanden sind. Die
Genialität der Führer werde sich vielmehr darin
zeigen, daß sie die Schäden der Zeit mit den
dieser Z eit selbst ei gentü mli ch enpeilmitteln
zu beseitigen verstehen. Die bewußte und unnnttel-
bare pflege der Qualitätsarbeit anderseits wird schon

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