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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 61.1910-1911

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Pudor, Heinrich: Formveredlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7091#0178

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Formveredlung.

Aufbau im Auge behalten. Der konstruktive Auf-
bau, kurz gesagt, Aonstruktion oder Aufbau werden
aber dort am vollkommensten fein, wo das Material
den gewollten Zweck mit den geringsten Mitteln
erfüllt. Man könnte in der Tat eingehend Nach-
weisen, daß das Aünftlerifche sowohl als auch das
Schöne immer nur das Zweckvolle fein kann, daß
es in der vollkommenen Erfüllung der Zweckform
begründet ist, ob es sich nun um einen griechischen
Tempel, ein mittelalterliches Altargemälde oder ein
modernes Möbel handelt. Der englische Aunst-
ästhetiker Troce sagt: „Ein Merk wird sicherlich
ästhetisch sein, wenn es nur vollkommen das ist, was
es zu sein bestimmt ist", und Professor Schultze-
Naumburg schreibt treffend: „Oberstes Arbeitsgesetz
muß sein, nur das zu bilden, was einem guten
Zwecke dient, dabei aber diesen Zweck stets auf die
einfachste und vollkonnnenste Meise in seiner Er-
scheinung auszudrücken." Zn der Tat ist das Grund-
gesetz der Mechanik das Prinzip des kleinsten Zwanges,
nämlich, daß die Beanspruchung des Materials bei
gegebener Belastung ein Minimum fein muß, zu-
gleich das Grundgesetz der angewandten Aunst.
Derjenige Gegenstand wird der schönste sein, der den
gewollten Zweck mit dem kleinsten Aufwand von
MittelnerreichtundZweckund^orm am vollkommensten
miteinander verbindet. Der Vorsprung des ameri-
kanischen und englischen Gewerbes auf vielen Gebieten
gegenüber dem unsrigen liegt gerade hierin, daß es
jenes Grundgesetz des kleinsten Zwanges immer zu
allererst zu erfüllen trachtet.

Von besonderer Michtigkeit hierbei ist einmal,
daß dieses Gesetz für alle Gebiete der Industrie und

528.

Aunst, von der Maschine bis zur Eisenarchitektur, vom
Wohnhaus bis zum Möbel Geltung zu beanspruchen
hat und daß es zweitens in der Richtung des Material-
stiles liegt. Der Materialstil, der uns von dem über-
flüssigen Dekor und Ornament befreit und die schöne
Zwecksorm mit dem schönen Material verbindet, bildet
die moderne Ausdrucksform nicht nur für das Aunst-
gewerbe, sondern für die Gewerbekunst und Industrie
uud gleichfalls für die Architektur und Ingenieurkunst?)

‘) Näheres über diese Fragen siehe in dem Buche des
Verfassers: Laokoon, kunsttheoretische Essays, Verlag kstrm.
Seemann Nachf., Berlin und Leipzig.

329. 330. 33 J.

328—33(Pariser rjerbstsalon.) Aus der Münchener Kunstgewerbeschule; Holzschnitzereien aus der Klaffe Wad ere.
Schüler Bernh. Stöckli und Hans Mauracher. (1/s d. wirft. Größe.)

tSZ
 
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