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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 61.1910-1911

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Chronik des Bayer. Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.7091#0234

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dljronif des Bayer. Kunstgewerbevereins.

von Farben, sind farbiges Licht, sie dienen weder zur Schilderung
körperlicher Bewegung noch zur Verdeutlichung eines bestimmt
gearteten mimischen Ausdruckes. Alles wird vermieden, was
uns Gedankliches im Bilde vermitteln würde. Die Figuren
sind sowohl bewegungs- und ausdruckslos in bloßer Zuständ-
lichkeit gegeben. An Stelle dieses physischen oder psychischen
Lebens des Körpers tritt das Leben des bewegten Lichtes. Da
jede Farbe Teilerscheinung dieses Lichtes ist, subordiniert sie sich
diesem. Farbiges Licht bleibt die einigende und doch zugleich
Raum und Körper schaffende Macht. Raum und Körper sind
dem farbigen Lichte immanent. Diese Einheit geht so weit,
daß auch für sie die alte Trennung von Schatten und Licht
aufgehoben erscheint. Schatten ist dem Licht und das Licht dem
Schatten immanent.

Diese besonders geartete rein anschauliche Auffassung der
Welt — im Gegensatz zur begrifflichen — spielt nun in alle übrige»
künstlerischen wie aber rein geistigen, ja selbst in die wissen-
schaftlichen Gebiete hinein: in die Plastik und Architektur
ebenso wie in die Dichtkunst, Drama, Musik und Philosophie,
wie auf diese an Stelle der begrifflich logischen Verknüpfung
die anschauliche Erkenntnis dcstruierend einwirkt und weiter wie
auch im Drama (Ibsen, Maeterlinck) der auffallende Mangel an
Schilderung intellektueller Vorgänge (dafür die Betrachtung
von Schilderungen sinnlicher Zustände) und in der Dichtkunst
das bloße Beschreiben von Landschaften oder allgemein hin
anschaulicher Eindrücke sich erklärt, wurde an einzelnen charak-
teristischen Beispielen aufgefrischt oder zuletzt durch eine Besprechung
der entsprechenden künstlerischen Probleme in der Strauß-Hoff-
inannstalschen Elektra noch besonders klar gemacht. Das vor-
wiegen der anschaulichen Erkenntnis wirkt da befruchtend und
fördernd, dort hemmend ein. Die eminente Bedeutung dieser
Tatsache für die Kunst liegt auf der Hand, ein starkes künstlerisches
Blühen für die junge Zukunft scheint uns gewiß.

Siebenter Abend — der: 3. Januar >9;; —. Eingeleitet
durch einen Neujahrsgruß des I. Vorstandes Prof. E. Pfeifer,
erhielt der Abend, der sich eines besonders regen Besuchs er-
freute, fein Gepräge durch den Vortrag von Prof. vr. Berthold
Riehl: „Die deutsche Landschaftsmalerei des Jahrhunderts."
wie immer, so verstand es der Redner auch dieses Mal die Zu-
hörer durch seine, allem akademischen Anstrich abholde, gelegent-
lich auch mit freundlichem Humor durchwirkte Vortragsweise zu
fesseln, indem er an Hand eines reichhaltigen Lichtbildermaterials
die Entwicklungsgeschichte der deutschen Landschaftsmalerei des
verstoffenen Jahrhunderts darlegte. Beginnend mit den Werken
Ferdinand Kobells (;7H0—;790) bis zu Schleich und Licr, die
man als die Begründer einer neueren Richtung der Landschafts-
kunst betrachten kann, zeigte Riehl, wie sich diese allmählich
von dem niederländischen und französischen Gängelbande be-
freite, wie sich nach und nach der Blick öffnete für eine eigene
Anschauung der Natur, — wie sich gegenüber dem Idealsmus
der Landschaftsmalerei, den z. 8. Kobells Sohn Wilhelm, der
Lechtaler Jos. Ant. Koch — der eigentliche Schöpfer der heroi-
schen, aus der Phantasie geborenen Landschaft — und Heß
pflegte, die naturalistische Richtung in Wagenbauer, Rottmann,
Preller, Richter, Morgenstern, Achenbach ankündigte, immer
mehr und mehr Geltung gewann und schließlich in Schleich
und Lier ihren Höhepunkt erreichte, von dem aus die nach-
folgenden Malergenerationen ihren Ausgang zu weiterer Ent-
wicklung nahmen. Riehl schloß seinen Vortrag mit dem Hin-
weis, daß auch für die Entwicklung der deutschen Landschafts-
malerei wie in so vielen anderen künstlerischen Dingen gerade
aus München die stärksten und maßgebensten Anregungen kamen.

Hatten doch sämtliche in diesem Zusammenhänge angeführten
Maler kürzere oder längere Zeit in München gelebt und ihre
Motive aus der nächsten Umgebung dieser Stadt geholt; an der
München umgebenden Natur hatten ste schauen und gestalten
gelernt, so daß gerade unserm München ein großer Anteil zufällt
an dem Werden und wachsen der Landschaftskunst. So holte
sich Wagenbauer (aus Grafing), den man sozusagen als den
ersten Lehrer der intimen Naturbeobachtung betrachten kann,
seine Motive ans der nächsten Umgebung seiner Heimat; Gra-
fing, Pasing und Laim bildeten die Domäne seiner künstlerisch
so bedeutsamen versuche. Rottmanu pflegte, ehe er im Jahre ;826
mit dem Austrage, die italienischen Landschaftsfresken in den
Arkaden zu malen, nach Italien reiste, insbesondere die Wieder-
gabe der bayerischen vorlaudseen. Lhristian Morgensterns
Bilder zeigen in mannigfachen Variationen Motive aus dem
Dachauer Moos und aus der Gegend des Starnbergersees.
Lier schließlich wurde zum Schilderer der Schönheiten unseres
Isartales. — So wenig das Kuustgewerbe auch mit der Land-
schaftsmalerei Beziehungen unterhält, so sehr hatte doch eben
der Hinweis auf die heimatlichen Beziehungen allseitig Anklang
gefunden, der in lebhaftem Beifall sein Echo fand.

Achter Abend — den ;o. Januar —, ein lustiger Abend.
Das Programm hatte zwar einen Fachabend in Aussicht gestellt;
da es aber damit haperte, so wurde mit raschem Entschluß der
„Fachabend" als ein Druckfehler bezeichnet und mit Hilfe dieses
fadenscheinigen Mäntelchens ein „Faßabend" proklamiert; so
ähnlich wenigstens beschönigte der Vorsitzende mit launigen
Worten die mit dem Faschingsbeginn zusammen getroffene Ver-
legenheit des entgleisten Fachabends. Den Besuch dieser Wochen-
versammlung hatte keiner zu bereuen; ein fröhlicher Humor
durchleuchtete den ganzen Abend, und gerade dadurch, daß alles
mehr oder weniger den Tharakter der Improvisation trug,
herrschte von Anfang an bis zu dem späten Ende die gemüt-
lichste Stimmung. Den Hauptauteil daran hatte Prof. Jak. Bradl,
der im Kasperltheater die Kartoffelkomödie von der Prinzessin
Pumphia und dem Räuber Jaromir zur Vorführung brachte,
und außerdem mit G'stanzeln zur Gitarre, Bierreden usw. die
Lach Muskeln der Zuhörer bis zur Lähmung in Tätigkeit setzte.
Neben ihm machte sich besonders noch Bildhauer Ringer, die
Gebrüder Stcinicken, Bildhauer Meier und das Gberbayerische
Schützenquartett „D'Birkensteiner" um die Unterhaltung der
zahlreichen Mitglieder und Gäste verdient.

Die ordentliche Generalversammlung findet erst nach
Bstern statt, voraussichtlich am 25. April.

8u der Lehrlings-Preisbewerbung sind ^ Lehrlinge an-
gemeldet und zwar 2 Goldschmiede, 2 Ziseleure, q Schlosser,
2 Schreiner, ; Tapezierer. — Die Preisverteilung wird wahr-
scheinlich am 2. Mai stattfinden.

Programm für die (Wochenversammkungrn.

Die Wochen Versammlungen finden stets Dienstag
Abend 8 Uhr im Festsaale des Vereinshauses statt.
März: R. Schwarz: Über farbige Schatten.

2;. „ vr. Nerk-Buchberg: Künstlerblicke in die

heimische Natur.

28. „ Universitätsprofessor vr. Alb. Rehm: Hellenistische

Stadtanlagen in Ionien (mit Lichtbildern).

April: Kustos vr. Rich. Hofsmann: über nord- und
südbayerische Dorfkirchen (mit Lichtbildern).

verantw. Red.: Prof. t. Gmelin. — Herausgegeben vom Bayer. Aunstgewerbeverein. — Druck und Verlag von R. Dldenbourg, München.
 
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