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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 61.1910-1911

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Kerschensteiner, Georg: Karl Kimmichs "Zeichenkunst"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7091#0276

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Karl Kimmichs „Zeichenkunst".

533 u. 534. Plaketten (Bronzeguß); von 2

Rlarheit. Was die Abhandlung von Rimmich über
das Linearzeichnen betrifft, so bewegt sie sich in den
herkömmlichen Bahnen mit ihren Fehlern und Vor-
zügen und. geht über die elementaren Probleme nicht
hinaus. Ich glaube, daß die abstrakte Loslösung
des Linearzeichnens von den praktischen Aufgaben bald
der Vergangenheit angehören wird. Die Naumann-
schen Arbeiten über das Pflanzenstudium enthalten
viele gute Gedanken und Ratschläge, aber da, wo
sie zum Stilisieren übergehen, wenig gute Muster.
Die gegebenen Naturstudien berücksichtigen verschie-
dene Techniken und sind einwandfrei. Tine moderne
Enzyklopädie der Zeichenkunst sollte das Problem
des Pflanzenzeichnens aber nicht losgelöst vom
Material, für welches stilisiert werden muß, betreiben,
Die schwächsten Arbeiten sind die von Albert Rull
und Professor Micholitsch. Daß Albert Rull noch
quadrierte Netze für das Rinderzeichnen benützt und
aus dem spielenden Rinderzeichnen Nnterrichts-
methoden ableiten will, indem er alle Erscheinungs-
formen der Menschen und Tiere auf Rreise, Ovale,
Quadrate, Rechtecke und Dreiecke zurückzuführen ver-
sucht, ist betrüblich. Beides führt zu einem schäd-
lichen Mechanismus und lehrt die Rinder nicht sehen.
Der Weg führt gewiß zu ausgezeichneten Scherzen,
namentlich wenn man besser zeichnen kann als
perr Rull selbst, etwa wie Rarl Probst in seinem
trefflichen Büchlein „Wen soll ich malen?"; aber
zu einer Unterrichtsmethode ist dieser Weg nicht ge-
eignet. Ebenso wenig erfreulich ist der Aussatz des
perrn Micholitsch. Ein krampfhaftes Festhalten an
alten Theorien ohne Verständnis für die Rindesseele.
Zu der Verkehrtheit, das Rind durch streng geo-

on Krauthei IN er. (wenig verkleinert.)

metrische Formen zum Ornamentzeichnen zu bringen
anstatt durch die Mittel des Materiales und der
jeweiligen Technik, konimen noch höchst bedenkliche
logische und psychologische Irrtümer. Für das Rind
ist der Würfel nicht der einfachste Rörper; aber
selbst wenn er es wäre, hat er so wenig Interesse,
daß man mit ihm das Zeichnen nicht beginnen
darf. Eine Definition wie: „Jedes Ding, das in
seiner Art vollkommen ist, erregt unser Wohl-
gefallen, wir nennen es schön", ist eine gewöhnliche
Phrase. Die Behauptung: „Eine Figur, die ent-
weder nur von geraden Linien begrenzt ist oder
deren Grenzen krumme Linien von geometrischer
Ordnung bilden, ist am leichtesten zu zeichnen", ist
direkt falsch. Von ähnlichen Lätzen wimmelt die
Abhandlung. Die farbigen Tafeln mit Legetäfelchen-
mustern sind geschmacklos.

Wesentlich erfreulicher, als diese beiden letzten
Abhandlungen sind die Abhandlungen des zweiten
Bandes, vor allem über „Das Ornament" und
über „Das Zeichnen des menschlichen Rörpers" von
Adolf Möller, über „Das Landschaftszeichnen" von
Ludwig pans Fischer in Wien, über „Das Tier-
zeichnen" von Albert Rull und „Das Wappen-
zeichnen" von Professor Pupp in Schleißheim. Die
Möllersche Arbeit über das Ornament geht den
historischen Weg und hat ausgezeichnete Bemerkungen.
Was ich vermisse, ist lediglich eine Zusammenfassung
der Grundmerkmale des guten Ornaments, wie sie
sich in allen Stilgattungen zeigen. Vortrefflich ist
der Aufsatz von Pupp über das Wappenzeichnen,
in seiner Rürze eine geradezu klassische Arbeit. Er-
freulich sind auch die Arbeiten von Rull und Möller

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