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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 61.1910-1911

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Lory, Karl: Elektrizität und Sachkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7091#0361

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Elektrizität und Sachkunst.

einwandfrei ist. Um das praktische vorwegzunehmen:
gerade im fjirtblid’ aus die überreiche Menge kleiner
Gebrauchsgegenstände wäre es sehr zweckmäßig ge-
wcseti eine Form der Darbietung zu wählen, wie
sie z. B. für die Erste Bayerische Gewerbeschau des
Jahres (9(2 an gleicher Stätte in Aussicht genommen
ist, eine Form, die jedem einzelnen Stücke zu seinem
Recht verhilft, die durch eine sorgfältig ausprobierte
Umgebung (möglichst einfacher, diskreter Art natür-
lich) die Besoitderheit der einzelnen Stücke hervor-
treten läßt, sie mit anderen Worten als Individuen,
nicht als Statisten gelten läßt. Aber statt wenigstens
einen Aompromiß mit jener vornehmen Art der
Warendarstellung zu schließen, wie sie eigentlich ge
rade von München ausgcgangen ist und in den
feineren neueren Geschäften der bayerischen Residenz
auch ganz allgemein praktisch geübt wird, konnte sich
auf der Elektrizitätsausstellung das Auge sogar an
der richtigen „Alt-Münchener" Theatermache „er-
freuen", indem man etwa — um die Verwendbar-
keit der weißen Aohle für die Landwirtschaft zu ver-
anschaulichen — einen „richtigen" Bauernhof kulissen-
artig aufrichtete, mit „echten" (d. h. also lebenden!)
chühnern und beinahe „echtem" Misthaufen!

Doch davon wollten wir ja eigentlich gar nicht
reden; uns interessiert hier vor allem die Frage, ob
die Möglichkeiten, die das Elektrizitätsgewerbe der
modernen Sachkunst bietet, erkannt und ausgenutzt
sich zeigten. Solche Möglichkeiten waren ja schon
gleich beim Eintritt, in dein kleinen Raum, der die
Ausstellung der Münchener Städtischen Elektrizitäts-
werke barg, vor Augen gestellt; ja, solche Möglich-
keiten und Ausgaben wurden seit längerem schon
wiederholt auch in der Literatur erörtert, so z. B. in
dem (908 erschienenen Buche „Geschmack im Alltag"
von Z. 21. Lux, in dem sich u. a. auch bereits Ab-
bildungen guter und weniger guter Maste für Bogen-
lampen finden, Modelle, wie „die Verzierungswut
in den Straßen" sie hervorrief, aber auch „durch
Vereinfachung verbesserte" formen. Die vom Mün-
chener Städtischen Elektrizitätswerk ausgestellten Mo-
delle für Aandelaber wirkten fast wie Beispiel und
Gegenbeispiel: die einen (neueren, von Professor
Pfeiffer entworfen) sozusagen organisch gewachsen,
die anderen dagegen zusammengesetzt mit deutlicher
Anlehnung an Renaissancevorbilder. Aridem die
Städt. Werke durch Vorführung alter und verbesserter
neuer illuster („Modell (9((") ihren guten Willen
dartaten, die Elektrizität zur Hebung des Münchener
Straßenbildes heranzuziehen, empfing der Besucher,
wenn er — trotz des „freien Eintritts" — mit diesem
Raum seine Wanderung begann, gleich einen guten
Eindruck.

569. (Hamburger Tupeten-Ausstcllung)
Norddeutsches Eßzimmer. Raumausstattimg von Vskur
Sieverts, Hamburg.

Leider hat aber die Elektrizitätsindustrie keines-
wegs das gleiche Verständnis für ihre ästhetische
Mission bekundet. Dem Scharfsinn, den sie für die
technische Vervollkommnung ihrer Produkte auf-
wendet, entspricht keineswegs eine ähnlich gesteigerte
Geschmackskultur bei Gestaltting der äußeren Form.
Von vornherein mußte die verhältnismäßig sehr ge-
ringe Zahl von (geschmackvoll gebildeten) Beleuch-
tungskörpern aufsallen; über die Bedeutungslosigkeit
dieser Seite der Ausstellung inachte sogar die Mün-
chener Tagespresse kein Hehl. Nur die A. E. G.
hatte eine Reihe von Bogenlampen geschickt, die,
nach Entwürfen von Peter Behrens gefertigt, eine
entsprechende Würdigung schon wiederholt erfahren
haben. Man muß sie mit den entsetzlich „verzierten"
sog. Luxuslampen älterer Art vergleichen, wie z. B.
W. Dohrn in seiner Studie „Das Vorbild der
A. E. G." (März (909, S. 56 ( ff.) eine solche als
Gegenbeispiel abbildete, um den in der Tat unge-
heuren Fortschritt, den sie bedeuten, völlig würdigen
zu können. Mit Recht wird a. g. (D. die frühere

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