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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 61.1910-1911

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Lory, Karl: Franz Widnmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.7091#0387

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Franz tVidnmann t-

6(0. Skizze zu einer Einladungskarte (kjabenschadenfeier). (2/, d. Griginalgröße.)

deren Gott der Schnör-
kel und deren Prophet
Makart war, konnte
Widnmann nicht mit
Leib und Seele zu den
Ihren rechnen. <£s
konnte das überhaupt
eigentlich keine Richtung
je: der Mann, dessen
Lchrerfolge nicht zuletzt
darin gipfelten, daß er
nach Erfüllung des Not-
wendigen jeden Schüler
nach seiner Fasson selig
werden bzw. arbeiten
ließ, er wahrte sich auch
im allgemeinen persön-
lich seine Selbständig-
keit und Unabhängigkeit.

Auch von ihm gilt so
Goethes Mort:

Höchstes Gluck der Lrdenkinder
Ist doch die Persönlichkeit.

Noch heute sind von ihm Kopien der großen
Italiener (Tizian usw.) vorhanden, aber in seinem
Schaffen (ich meine hier natürlich seine Gemälde)
erinnere ich mich keiner Anlehnung an ihr Vorbild.
Und so unleugbar in seinen graphischen Arbeiten
einige Male der Einfluß Ferdinand Barths leicht
verspürbar ist (vgl. z. B. die erste Erlenmeyer-
Adresse aus dem Jahre s8ß5 Abb. 635), so wenig
läßt sich dieser Einfluß irgendwie als tief oder nach-
haltig feststellen. —

Schier unerschöpflich ist der Reichtum an gra-
phischen Arbeiten, die er lieferte. Eine Hauptrolle
darunter spielen die Adressen und Ehrenbriefe, un-
zählige Male ist er mit Ausführung von solchen be-
traut worden. Er besaß auch
zweifelsohne ein besonderes Ge-
schick für derlei Aufgaben, deren
er sich stets vornehm und stets
eigenartig zu entledigen wußte,
fürwahr, es ist sicher keine
Kleinigkeit sich hier nicht zu
wiederholen und für den lang-
weilig-geschraubten Text solcher
Ehrungen trotzdem stets eine
würdige, wenn möglich charak-
teristische künstlerische Form zu
finden. Er inachte aber auch
diese Dinge, so vertraut sie ihm
allmählich werden mußten, nie-
mals nur so „aus dem Hand-

gelenk"; sorgfältige Vorarbeiten schenkte er sich auch
hier uicht und mit größten: Eifer trieb er z. B. auch
hiefür Draperiestudien (vgl. Abb. 6^2—6HI), wie er
denn bei den Adressen ganz besonders seiner Vor-
liebe für Putten, Amoretten und schöndrapierte
Frauengestalten sich hingeben konnte. Wenn er also
von seinen Schülern stets und als Erstes ehrliches
Arbeiten verlangte, so ging er in seinen eigenen
Arbeiten mit besten: Beispiel voran.

Viele andere graphische Arbeiten außer den
genannten wären noch zu erwähnen, offizielle und
zu privatem Gebrauch bestimmte, ja, es läßt sich
nicht leicht eine Art graphischer Betätigung denken,
die ihm fremd geblieben wäre. Und alle fertigte er
mit der gleichen Sorgfalt und der gleichen kühlen
Ruhe, die seinen Arbeiten, so selbständig er ihnen

S((. Skizze zu einer Geschäftskarte. (2/s d. Griginalgröße.)

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