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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 61.1910-1911

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Lory, Karl: Franz Widnmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.7091#0390

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Franz widnmann f-

Wirklich fremd muten uns von Widnmanns
Arbeiten heute dagegen die eigentlichen knnstgewerb-
lichen Gebrauchsgegenstände an, die er entwarf,
wenigstens größtenteils. Wir denken hiebei an
Sachen wie z. B. die von Lichtinger ausgeführte
Zinnkanne (Abb. 650) oder an das zinnmontierte
Glas (Abb. 652). Deutlich werden wir uns hier des
Gegensatzes zwischen einst und jetzt bewußt, zwischen
jenen Tagen, da die „Verzierung", das Anpassen
aufzusetzender Zierformen Ziel des Strcbeits war,
und der Gegenwart, die auf Verbesserung, Veredelung
der gebrauchsfähigen Horm an sich ausgeht. Da-
mals konnte es Vorkommen — und es ist, wie das

mir zur Verfügung stehende Auellenmaterial erweist,
auch Widnmann passiert —, daß das ausführende
Geschäft den ursprünglichen Entwurf des Aünstlers
irgendwie abändern mußte, weil die von letzterem
vorgesehenen kunstvollen Zierate einfach so nicht an-
zubringen waren. Widnmanns Arbeiten auf diesem
Gebiet machen übrigens den Eindruck, daß die Vr-
namentierung die Gebrauchsfähigkeit wenigstens
nicht direkt beeinträchtigt; und daß bei wirklichen
Prunkgeräten (vgl. den Entwurf zu einem Bluschel-
prunkgefäß Abb. 6^9) die Zweckmäßigkeit auch heute
noch zurückstehen muß, haben uns in allerletzter
Zeit erst gewisse Experimente Bruno Pauls, Troosts,
Veils u. a. bewiesen.

Die ineisten eigentlichen prunkarbeiten Widn-
inanns gehören übrigens der Geschichte an, die meisten
von ihnen waren nämlich für die Schlösser Aönig
Ludwigs II. bestimnrt oder entworfen. Denn (vgl.
den S. 362 genannten Nekrolog) schon bald wurde
er in diese Tätigkeit hineingezogen, Speziell erhielt
er den Auftrag zu Plafond- und Wandgemälden im
Treppenhaus der Salle cle Mars im Ankleide- und
Badezimmer in Herrenchiemsee, eine Tätigkeit, die
an seine vorhergehenden dekorativen Nkalereien (f. o.)
unschwer anknüpfen konnte; hier kommen mehr die
kunstgewerblichen Entwürfe in Betracht, die er für
den Aönig lieferte, Hür die Erschließung seines
künstlerischen Wesens und Schaffens sind sie freilich
im allgemeinen nur insofern fruchtbar zu machen,
als sie auf der einen Seite einen neuen Beweis
für seine außerordentliche Vielseitigkeit liefern, auf
der anderen einen weiteren Beleg für seine Gabe
sich unter fast völligem Zurücktreten einer persön-
lichen Art in eine gestellte Aufgabe, in einen gege-
benen Rahmen einzufühlen und einzufügen. Bei den für
Ludwig II. arbeitenden Aünstlern inuß man ja überhaupt
vielfach die unpersönliche Art bewundern, wie sie auf
die Wünsche ihres hohen Auftraggebers eingingen
und die von ihm gestellten Aufgaben lösten. Die

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