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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 61.1910-1911

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Wolff-Friedenau, Th.: Wie das Handwerk entstand
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https://doi.org/10.11588/diglit.7091#0402

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Wie das Handwerk entstand.

65<*. Studie zu einem stuckierten Wandfries; Bruchstück. (V» d. Griginalgröße.)

Zimmerleute, Aleidermacher, Schmiede, Schreiner usw,
Alle diese Arbeitskäfte waren, wie gesagt, Sklaven,
willenlose und jedes Rechtsanspruches über sich uitd
ihre Arbeit entbehrende Geschöpfe, die ebenso wie das
Vieh das unbedingte Eigentum des Hofbesitzers waren
und gerade wie dieses von jenem nur erhalten wurden,
um zu arbeiten und Ertrag zu geben. Dieser
Charakter auch des gewerblichen Arbeiters als
Sklaven macht den prinzipiellen Unterschied zwischen
der Oikenwirtschaft der Alten und dem freien Hand-
werk aus, obwohl in dem Oikos die Teilung der
Arbeit, wie wir gesehen haben, bereits auf erheb-
licher Stufe stand und sich aus dem allgemeinen
Arbeitsprozeß bereits die verschiedensten Gewerke
herausgebildet hatten. Es waren Gewerke vor-
handen, aber diese Gewerke waren keine Handwerke
in dem oben definierten und für letzteres allein
gültigen Sinne der freien Arbeit. Die Arbeit trug
Sklavcncharakter und dieses wiederum brachte die
grundsätzliche Verachtung jeder gewerklichen Arbeit
seitens des freien Mannes mit sich, die wir
als ein so wesentliches Charakteristikum des Aultur-
ebens der Alten kennen.

Zn ungefähr derselben Form finden wir diese
Wirtschaftsstufe auch bei allen ger-
manischen Völkerschaften
vor, bei denen wir
dieselbe Entwick-
lung der haus-

gewerklichen Arbeit bis zum großen Wirtschaftshof
verfolgen können. Der römische Geschichtschreiber
Tacitus hat ein treues Bild vom Leben und
Treiben der alten Deutschen entworfen, ihm ver-
danken wir auch eine Beschreibung ihrer Arbeits-
und Wirtschaftsweise. Der große Hof des reichen,
freien Besitzers mit der Umgebung von Wiese, Wald
und Feld, die zu ihm gehörten, und seinen Wirt-
schafts- und Wohngebäuden mit seinen zahlreichen
Sklaven bildete einen geschlossenen wirtschaft-
lichen Betrieb, in dem nach dem Prinzip der Teilung
der Arbeit alle innerhalb des gesäurten Betriebes
erforderlichen Arbeiten selbst ausgeführt, aller Gebrauch
an wirtschaftlichen wie gewerblichen Produkten selbst
erzeugt wurde. Bis in die Hälfte des Mittelalters,
weit über die Zeit Aarls des Großen hinaus, war
und blieb der Fronhof die herrschende Form der
nationalen, Landwirtschaft und Gewerbe umfassenden
Wirtschaftsweise, freilich nicht, ohne sich technisch
bedeutend zu entwickeln und auch die Stellung des
Arbeiters zu heben. Aus dem ursprünglichen Sklaven,
der seinem Herrn mit Leib und Seele nach dessen
Gutdünken verfallen war, war eine etwas mildere
Form des sozialen Verhältnisses, der hörige oder
Leibeigene, geworden, der seinem
Herrn zwar auch noch nach
wie vor dienstpflichtig
war, aber durch
Gesetzgebung

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