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Hslbmonakliche Hundfchgu,

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Pkiul Zchumsnn.

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Lrschoint Anfang nnd
Mitto jodes Monats.

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2l n z e i g o n i

i-io pf. f. d. -lgesp. Petitzeile.

Volbsbunst, Poussterst nnst PLNsinstustrie

n.

Ivährend die Volksknnst in früheren Zahrhunderten
ungestört nnd unbeachtet blieb, indem jedermann die
internationale TNodekunst selbstverständlich als das
bsöhere ansah, begann man um die Alitte unseres Zahr-
hmrderts die Volkskunst in weiteren Nreisen zu be-
achten. Die Aufmerksamkeit wurde gleichzeitig von
- zwei Seiten her erregt, von der künstlerischeit
nnd von der w i r t s ch a f t l i ch e n. Die künstlerische
Teilnahme hing mit der Ratlosigkeit gegenüber der
Stilfrage zusammen. Seit dem Ableben des Lmpire-
stils hatte man nach einander alle historischen ^tile
von der Antike bis wieder zum Lmpire durchprobiert,
hatte aber darum keinen neuen Stil schaffen können,
da der versnch von denselben välkern ausging, die
eben jene alten Stile anch hervorgebracht hatten. Man
fühlte nunmehr das dringende Bedürfnis, von dem
Alassizismus und dem verwässerten Nokoko dcr vierziger
nnd fünfziger 0«hre sich um jeden silreis loszureißen.
Dadurch kam es u., a. auch zu der Begeisterung für
die orientalische Runst, die etwa um die Zeit der
Ivicner IVeltausstellung ihren Gipfel erreichte.

Bei dieser Suche nach zeitlich oder räumlich fernab
liegenden Rünsten, die eine Wicdergeburt der modernen
Runst ermöglichen sollten, fiel der Blick auch auf die
volkskunst, wie sie sich noch über die Alitte des
19. Zahrhunderts hinaus in ganzen weiten Land-
schaften des Gstens in lebendiger Übung
oder doch in zahlreichen hinterlassenen Zeug-
uissen vorfand. Znfolge der Übersättigung an den
historischen Stilen würdigte man aufs äußerste die
vorzüge der volkskunst: die anspruchslosc Linfachheit
und Naivetät der Lrfindung, Fernhalten aller ver-
künstelung in ben Lormen, Lreude am farbigcn Lchmucke,
und meist deren treffsichere Beherrschung. Zn der
Freude über diese vorzüge übersah und überschätzte
man sogar augenfällige Mängel: namentlich empfahl
man in ganz unpraktischer Schwärmerei die völlig

veralteten technischen Verfahren zur Nachahmung.
Nlißverständlicherweise bezeichnete man schließlich die
ganze Lrscheinung als nationale Lsausindustri e.

von einer Zndustrie war aber bei jenem Ls"us-
fleiß und jener Volkskunst gar keine Rede, denn die
Numänen und chlaven schufen ihre Arbeiten durchaus
uicht mit der Absicht des verkaufes, nur ausnahms-
weise brachte die Bevölkerung, durch das Städtewesen
und den verkehr zn weiteren Bedürfnissen angeregt,
einzelne Lrzeugnisse ihres üausfleißes zum ver-
kause.

^lnderseits kam man zur Beachtuug der ost-
europäischen volkskunst von der wirtschaftlichen Seite
her. Die Negiernngen wurden darauf anfmerksam,
daß die wirtschaftliche Lage der Landbevölkernng sich
verändert hatte nnd ein staatliches Lingreifen erheischte.
Mit dcin nuermeßlichen Zlufschwung der Zndustrie
wurde die Bodenrente mehr und mehr entwertet,
Grnnd und Boden reichte allmählich nicht mehr aus,
den Bauer zu ernähreu; er verarmte immer mehr.
Ls galt also ihm neue Lrwerbsquellen zu crschließen,
und eine solche bot sich scheinbar ganz ungesucht eben
in der sogen. nationalen lsiausindustrie dar. Der
Bauer sollte, wie man sich sagte, die alt überlieferten
Üandfertigkeiten mehr pflegen, sollte auf Vorrat für
den Alarkt arbeiten und mit dem Lrlös die Lücke aus-
füllen, welche die unzureichende landwirtschaftliche
Beschäftigung in seinem Beutel ließ. „Auf solche
IVeise glaubte man den Bauer völlig in den bisher-
igen altgewohnten Geleisen seiuer Arbeitsweise zu er-
halteu, ihm aber doch den Iveg zu weisen, wie er
sein wirtschaftliches Lsell finden könne." Ivas aber
diesen IVeg den beteiligtcn Rreisen doppelt empfahl,
ja ihn gerade als ideal erscheinen ließ, war der IIm-
stand, daß man auf solche IVeise auch die künstler-
ischen Lormen der nationalen Isausindustrie vor dem
möglichen Ilntergange zu retten, ja im Gegenteile
 
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