Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Halbmonskliche I^undschau,

unter Mitivivkiing ves WLgriinVers Merdimmv Mvenariiis herausgegekien von

Pkrul Schumsnn.

2. f89s.

s. ssahl>ggiiu, Hofk- f0.

Lrschcint Aufaug und
Mitte jedes Nionats.

Vestrllgeld: h <D. 60 Df. vienkeljghnl.

Anzeigeni

-10 Pf. f. d. -igesx. Petitzcile.

Das Perjmüicke inr KunstkanÄwerlr.

Die Alagen der Arbeitnehmer über die 2lrbeit-
geber kann man überall vernehmen, wo man sie hören
will. Anch auf dem Uunstgebiete. Die Rünstler, die
für die Industrie arbeiten, kännen den Fabrikanten
gegenübcr nicht mehr ihr gutes Necht durchsetzen, ihre
Lrfindungen zu zeichnen. Der Labrikant zeichnet nüt
seinem Namen. Lin junger Aünstler mit dem Rom-
preise stellte im chalon eine Scheibe aus, die Auf-
merksamkeit erregte. Lin Glasscheibenfabrikant kaufte
sie und stcllte sie in einem Schanfenster auf dcm Boule- ^
vard unter seinem Namen aus.

Die kunstgewerblichen Zlrbeiter haben alle Grund,
sich zu beklagen. Zch denke nicht mit Lsugo, daß „die
Rleinkunst Lellinis im ganzen einen Michelangelo auf-
wiegt", ich finde in diesem letzteren eine ergreifende
Araft, die sede dekorative Aunst übersteigt; jedoch
gleichen sich Lellini und Michelangelo, so ungleich sie
in ästhetischer bsinsicht sind, darin, daß sie eine j)er-
sönlichkeit haben, die niemand zu konfiszieren vermag.
i s)hr Genie ist verschieden, ihr Necht gleich. Die
Nangordnung der Nünstler wird nicht dadurch be-
stimmt, daß dieser den freien, jener den dekorativen
Rünsten angehärt, sondcrn durch das Talent, das sie
zeigen. kvenn man bedenkt, daß ein Schriftsteller
ohne jeden kviderspruch cinen miserablen Noman oder
einen elenden Artikel zeichnet, daß die Maler und
Vildhauer sich aller jener Ziguren rühmen, mit denen
die Salons von j)ahr zu j)ahr vollgestopft werden,
so muß man über die dunkle Rnechtschaft staunen, in
der die Rünstler gehalten werden, die von den Groß-
händlern in dekorativer Runst beschäftigt werden.

Diese Großhändler werden berühmt. lvir kennen
ihre Namen und wir vergeheu uns soweit, ihnen in
ihren viel besuchten Läden verdienste znzusprechen,
die in lvahrheit den im Dunkel ihrer Ateliers ver-
borgenen Rünstlern gebühren.

bjicr handclt es sich nicht um leicht vcrletzliche
Gitelkeit. Diese Arbeiter werden keineswegs nur in
ihrer bercchtigten Gigcnliebe verletzt. Ls ist sicher,

ü_

daß, wenn ihre Namen bis ans Ghr des pnblikums
drängen, wenn sie zeichneten, dieser ihr Name einen
beträchtlich höheren Nlarktwert erhielte in dem Rampf
zwischen Angebot und Nachfrage seitens des Rünstlers
nnd des Industriellen. Die Glasarbeiter haben die
Zrage kühnlich angefaßt. IVir sind Glasmaler, sagen
sie durch den Ailund ihres Sprechers Toulier; wir
werden vom Zwischenhändler vorsätzlich im Dunkel
gehalten. lvir haben nicht einmal das Nccht, unsere
Rnnst frei zu lieben und frei auszuüben; wir sind
gezwungen, unter der Zluweisung von Leuten zu ar-
beiten, die ihrerseits lediglich vom Gewinn geleitet
werden. Diesen Leuten, nicht etwa den Rünstlern,
vertraut der chtaat die Grneuerung jener lvunder
französischer Runst an, die unsere Glasmalereien dar-
stellen. Überall, besonders zu Augers, zu Dijon, in
der Ile-de-Zrance, findet man diese geschäftsmäßigen
Nestanrierungen ohne Renntnis und künstlerisches Zein-
gefühl, die ein gefälschtes Bild von der Lpoche geben,
in der jene Glasmalereien entstanden, die, obwohl
zerbrochen und verstreut, noch unversehrt das duftende
Talent derer bewahren, die darin ihre ganze Leele
legten. Soll diese langsame, aber beständige Lnt-
würdigung eines nationalen Schatzes aufhören, so
mnß der Staat die Rünstler kennen und schätzen lernen
und nicht die Zwischenhändler, so müssen die Geist-
lichkeit und die s)rivaten wissen, wo der Rünstler zu
finden ist, der die Lrneuerungen auszuführen oder die
Griginale in wahrhaft künstlerischem Geiste nachzu-
bilden imstande ist.

Das ist ein gerechtes und keineswegs blos eigen-
nütziges verlangen. Nicht nur bekannt zu werden
und Geld zu verdienen, verlangen die Runsthand-
arbeiter; wenn sie beides fordern, Nuhm und Lin-
kommen, so thun sie es auch, um ihre Ruust von der
Rnechtschaft zu befrsien, in der sie von den Zabri-
kanten nur zu oft gehalteu wird, die ihrerseits wieder
von der Mode abhäugig sind.

Überall Rnechtschaft. wenn wir von dcn Glas-
 
Annotationen