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HslbmonZjiliche I^undschnu,

mitrr Mitioirkimg drs Wegrüuders Merdiimild Mueimvius hevausgegelieii uou

Pxrul Zchumsnu.

t. Mvbnuur-Heft f895- ^Ehngang, Hefk 9-

Erscheint Anfang nnd
Mitte jedes Monats.

IlZeMllgeld: f (l). 60 Df. uier.schghul.

Anzeigen:

-10 pf. f. d. Hgesp. petitzeile.

Offmer Krief <m den Hüraerlnetsier einer deutscken Kteinstadt.

II. (Fortsetzung.)

Oiellcicht denkcu Sie, licber Lrennd nnd Lnrger-
meister, iäl hätte mich bishcr mit lanter Nebcnsachen.
mit vernachlässigenswerten Uleinigkeitskrämereien auf-
gehalten, c>, denken Sie das nicht! Der Runstsinu ist
ja nicht ein geistiges Ltwas, das ganz nnvcrmittelt,
wie ein erratischer Block in der IfMde j,i

serem Liebcn steht, er hängt ja doch nbcrall mit an-
dcrcn cheitcn nnsercs Geisteslebens zusammen. IVenn
man sagt, die Rnnst sei die höchste Blnte nnscrer
Linltnr, so muß man aus letztere, die IVnrzel, die
Grnndbcdingung eben dieser Blüte doch auch ein Auge
haben, sofern man beabsichtigt, ihr neues Leben ein-
znfloßen. Nicht wahr, ich darf annehmen, Sie stimmen
mir darin bei? s)ch verspreche Ohnen auch jetzt, zum
Bcsprcchen des Aunstsinnes selbst nberzugehen.

Zum Teil fällt seinc jdflege, gleichwie es beim
Natnrsinn vorhin der Fall war, mit der pflege des
liseimatssinnes schon in eins. Die Aenntnis der
:5tadt nnd ihrer Banlichkeiten, der Airchen nnd an-
deren öffentlichen cZebändc, dcr Bnrger- nnd Bauern-
häuser ältcrer Zeiten mit selbständiger Runstform, die
Stadtgeschichtc, die Gcwerbe-, die Sittengeschichte u. s. f.,
sie alle geben ja reichen Anlaß anch znr pflege des
Aunstsinnes, wenigstens des Runstgeschichtsinncs.

Da aibt es ctwa noch bsäuser aus gotischer oder
vielleicht gar Uirchcnreste aus romanischer Zeit, bei
denen man anfangen kann, im Geschichtsinteresse zu-
gleich Rnnstinteressc anzubahnen. Da gibt es viel-
leicht Bürger- oder Bauernstnben, die die Ausschmück-
nng altcr Zcit bewahrt haben, bei deren Betrachtung
Bittcn- nnd Annstgeschichtc in einander übergehen.
Da gibt es vielleicht Reste ehedem in der Stadt üblich
gewesener Techniken, da gibt es vielleicht Zunftgeräte
irgend welcher Art, wo wicdernm Gewerbe- nnd
Aunstgeschichte zusammenhängen. Aurz, Sie sehen,
welche trefflichc Grnndlage ein ansgeprägter nnd le-
bendiger Lseimatssinn für den Aunstsinn abgiebt.

Ls liegt mir natürlich fern, Zhnen zuzumuten,

aus Zhrem kleinen Städtchen ein von lauter Aunst-
gelehrten bewohntes nnd im Bädecker deshalb mit
dreifachem Stern gekennzeichnetes oder man kännte in
dem Lall sogar sagen: gebrandmarktes Ilnikum zu
machen, es liegt mir das ebenso fern, wie der IVnnsch,
lauter Lsistoriker oder Alärchenerzähler oder Natur-
wissenschaftler n. s. w. dort zu züchten, cs wäre schreck-
lich, nnd ich hielte mein IVort, Sie einmal zn be-
snchen, dann gewiß nicht! Äe würden es, Gottlob,
anch nie fertig bekommen, was Sie aber fertig bringen
können, das ist, in weitesten Areisen Zhres Grtes
wenigstens Znteresse oder doch Gefühl, in engeren
Areisen Verständnis für die im Grte vorhandenen
Reste alter Rnnstübnng zn erwecken, es so weit zn
bringen, daß man nicht absolnt gedanken- und gefühl-
los in der Stadt nmherläuft, daß man nicht der
Runst seiner Vorfahren nnd, denn das wird oft die
Lolge sein, auch der Runst seiner Zeitgenossen gegen-
übersteht, wie ein gewisses nützliches Lsaustier dem
neuen Thor! Ivie viele Beispiele von vandalismus
haben wir nicht schon erzählen hören, wie viel des
Schönen, des künstlerisch oder knltnrgeschichtlich IVich-
tigen ist nicht schon aus reiner Ilnkenntnis verschleu-
dert nnd zertrümmert worden, in der Rleinstadt viel-
leicht oft mehr, als in der Großstadt, denn hier, ich
habe das Beispiel oft vor Augen gehabt, weiß man
doch, daß es in der Stadt ein merkwürdiges Rluseum
gibt, das „all so'n olen Rram köfft!"

Sie werden weniger Znteresse für Rnnst, als für
linltnrgeschichte finden, vermnte ich, weil sie mebr
Gefühlssache ist, das Gefühl dafür aber nicht jeder-
manns Sache ist. Soviel werden Sie aber nicht weniqen
Leuten beibringen können, daß sie cine nngefähre vor-
stellnng darüber bekommen, wie sich Banten und Ge-
räte, Sachen, an denen sie tagtäglich vorübergehen,
znsammenhängend mit der ganzen Lntwickelnnq des
Städtchens sowohl technisch, als auch künstlerisch'fort-
entwickelt habcn. Um nur ein Beispiel anzuführen,
was habe ich für Znteresse bei allerlei Leuten für'

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