Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Hslbmonskliche ^undschnu,

unlev Wilwlvkung des Wegvundevs Mevdiuuud Mvenllvius hevausgLgebeu vrm

Pxiul Zchumsnn.

j. j89s. Z. Zahpgang, Hrfk fs.

Lrscheint Anfang nnd
Ulitte jedes Monats.

VeMellgeld - h 60 vicnlelfghnl.

Anzeigen:

-fv Pf. f. d. -fgesp. Petitzeile.

Aeuer Wein mrb alte Hcktaucke

(Schluß.)

Wie beim gcmzen Hause sollten auch bei den Mö-
beln die strengsten Anforderungen an die praktische
Brauchbarkeit erhoben werden. Nnr auf dieser Basis
kommen wir zur Schönheit. Sie ist keine äusterliche
Zuthat von Schmuck und kann im wesentlichen nur aus
ver Zweckmäßigkeit entwickelt werden. Dies gilt für
die Stühle, die mit peinlichster Gewisscnhaftigkeit den
Bedürfnissen des KörperS anzupassen sind. Muster
höchstcu Ranges bvt uns in dieser Beziehnng noch in
der vergangcnen Generation der geniale alte Piglhein.
Wenn es Abstnfungen in der praktischen nnd ästhetischen
Degeneration nnserer Möbelarten gibt, so haben sicher
die Stühle am mcisten gelitten. Vor allem sollte man
den Sprungfedern den Krieg erklären. Das hohe Polster
hat die Form vollständig ins Plnmpe gezogen und trägt
zur Beqnemlichkeit so gut wie gar nicht bei. Am An-
fange des Jahrhunderts hatte man lose Polster, die
beini Klopfen herausgenommen werden konnten, das sind
praktische Einrichtungen, an die wir uns erinnern sollten.
Die feinste üsthetische Dnrchbildung müßte der Stuhl
erfahren, wenn er wieder ganz praktisch verwendet wer-
den soll. Die meisten nnserer Stühle wirken, wenn sie
benutzt werden, wie schlechtsitzende Kleider. Ebenso wie
bei den Kleidern mnß das Maß der Stühle bis auf
Millimeter durchprobiert nnd dem Bedürfnisse des
Körpcrs angepaßt werdcn. Ebenso sollten alle andern
Möbel streng aus dem Bedürfnis entwickelt werden;
die Schränke, die Bücherbörter, die kleinen und großen
Tische nnd namentlich auch die Schreibtische. Welchcs
Maß von Bcquemlichkeit sich bei letztern erreichen läßt,
lehren uns einige ältere Hamburger Beispiele, die schon
fast alle die wvhldurchdachten Einrichtungen für die
Anfbewahrung und Klassifikation der Papiere enthalten,
die wir jetzt glauben, den Anierikanern nachmachen zu
müssen. Wer sein Haus, sei es noch so bescheiden,
behaglich einrichten will, muß sich nm alle diese Dinge
selbst kümmern, muß ein auf der klaren Erkenntnis der
Bedürfnisse beruhendes Studium der Möglichkeiten nicht

— vu

schenen. Ein praktisches Möbel ist selten teurer, meist
sogar billiger als ein gedankenlos fabriziertes. Für
unsere Handwerker würde das entgegenkommende Ver-
ständnis ihrer Besteller ein Sporn zu doppelt freudiger
Thätigkeit scin.

Bci einem praktischen Mobiliar kommt man mit
sehr wenig Schmuck aus. Ueber das Maß entscheidet
heute am besten der höherc Geschmack der Frau. Wie
sie es sich nicht einfallen lassen wird, zugleich ein Perl-
halsband nnd eine Diamantenriviere umzulegen, so
wird sie auch schnell erkennen, daß jedes Übermaß an
Schmnck die Wirkung aufhebt. Wenig Dekoration,
abcr so gediegen wie möglich. Alles muß den prüfenden
Blick aushalten. Namentlich sollte man sich vor kleinen
Sachen hüten. Überall wähle man die Formen so
groß, wie irgend zulässig. Kleine Nippsachen sind in
vielen Fällen die Feinde von Ruhe und Behagen. Vor
allem erkanfe nian sich den Schmuck nicht durch Ein-
richtnngen, die ein Übermaß täglicher Reinignngsarbeit
verlangen.

Dies wird am besten vermieden, wenn auch im
Jnnenraum die edle, feinempfundene Farbe an die
Stelle der Form tritt. Sobald das Ziminer wieder
hell wird, drängt es von selber dahin. Aber noch sind
wir weit entfernt, dieses Bedürfnis, das sich schon
dentlich zeigt, aus der eigenen Prodnktion ansreichend
decken zu können. Wenn wir nicht die energischsten
Anstrengungen machen, wird uns das Ausland noch
lange in Tribntpflicht erhalten.

Den vornehmsten Schmuck des hellen Zimmers
werden neben der hohen Kunst die Blumen bilden. Für
die Hausfrau bietet sich ein weites Feld anregender
Thätigkeit in der Anordnung und Erneuerung des
Blumenschmucks nnd in der Beschaffung des Materials.

Diese Andeutungen berührten hauptsächlich die
praktischen Grundlagen. Das war nötig, weil wir sie
in der Freude am Ornament und an der Dekoration
mehr als zuträglich außer acht gelaffen haben. Für
 
Annotationen