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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 1.1885

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Bücherschau
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Vllchsrschau.

Mars Ludovisi uud mit Pigalle's Merkur und
Vcnus. Aus dcm Aukauf der Saunulung Po-
lignac stießen hier zwei Büsten desselbcn Adam,
Neptun nud Ainsihitrite, zu ihnen, welche hcute
iui Mittelsaal des Schlosses Sanssouci steheu;
hier begegneten ihnen die Antiken des Kardinals,
welche in dem römischcn Atelier der Briider
neue Gliedmaßen und neue Namen erhalten
hatten, wie die bekannten in Töchter des Lhko-
medes verwandelten Musen. Und zu diesem
Stamm fügte endlich der jüngste Adani, Franhvis-
Gaspard, ein ganzes Heer von Göttern für das
Schloß, die Terrasse und den Park von Sans-
souci, als Friedrich ihn 1747 zu seinem Hof-
bildhauer berufen hatte.
Die Abbildungen geben von diesen Werken
wie von den großen Arbeiten der Brüder in
Paris eine Vorstellung: sie alle, die große Fvn-
täne im Garten von Bersailles, die Neliess in
der Schloßkapelle, die Flußgruppe zu St.-Clvnd
oder das Grabmal der Königin Katharina in
Nancy stehen auf der Höhe der zeitgenössischcn
Plastik, aber überraschen wedcr durch Gedanken
noch Form. Erst nach dem Tode des älteren
und des jüngsten trat der zweite Bruder, Ni-
colas-Ssbastien, im Salon von 176st, mit sei-
nem eigenartigsten Wcrk heraus, dem gcsteinigten
Prometheus, jetzt im Louvre: einem Meisterbild
der rasenden Qual eines sich krümnienden, stem-
menden, zerreuden, heulenden Menschen, nicht
cines Gottes. Das Erhabene kam bei de»i
Franzosen des 18. Jahrhunderts nicht in Frage;
kein Wunder, daß in diesem Prometheus dcr
Konflikt zwischcn Würde und Leidenschast nicht
gelöst wird, an dem nian sich noch heute ohne
Erfvlg versucht.
Jnzwischen war aber dcr Neffe, Claude
Michel, bereits auf den Schauplatz getreten.
Schon mit 17 Jahren trat Clodion in die
Werkstatt seines Oheims Lambert Adam ein;
in dessen Todesjahre 1759 erobert er den aka-
demischen Preis. Ein musterhafter Schüler,
erntet er in den neun Jahren seines römischen
Aufenthaltes das unbeschränkte Lob seiner Lchrer,
hohe Gönnerschaft nnd eine Reihe kleinerer Anf-
träge. Noch versuchte auch er sich in den Bah-
nen der großen Plastik und kämpftc nach seiner
Rückkehr ein Dutzend Jahre einen traurigen und
im Grnude erfolglosen Wettkampf um öffentliche
Arbeiten. Die zerrütteten Staatsfinanzen ver-
boten jeden Aufwand; die Ansführung einer
Feldherrngruppe für Montpellier verzögerte sich

von 1776 bis znr Rcvolution. Nnr eine Statue
des Montesgnieu ist fertig geworden; dic erste
Anlage, in antiker Tracht, fand wenig Beifall,
und schon im Jahre 1779 hat die Pariser Kritik
dem Bilde des Gelehrten das Zeitkostüm, sein
Amtsklcid, erobert. Allcin jetzt verlegte sich Clo-
dian auf die Kunst, deren Meister er geworden
ist, auf die Terrakotta nnd die dckorative Bronze.
Jetzt ersteht nnter lebhafter Teilnahme der Lieb-
haber und der Känfer die Welt der kosenden
Nymphen, der tanzendcn Faune, der sich tum-
melnden Kinder, eines Geschlcchtes von spielen-
dem Leichtsinn, doch nie geziert oder frech; bald
eine Statnette oder Gruppe für sich, bald im
Relief an einer Vase oder als Träger eines
schlanken Leuchters. Antik ist nicht nur die reine
Formenbildung, sondern vor allem die Unbe-
fangenheit, mit welcher die menschliche Figur fllr
das Gerät verwendet wird. Jn der Renaissance
ward der Leib zum Ornament; man zog das
znsainmengesetzte Fabclwcsen dem gewachscnen
Körper, den Oberleib der ganzen Gestalt vor;
so lehrten es die klassischen Vorbilder der Neliefs,
der Sarkophage. Der Naturalismus hatte sich
allmählich dieser Schranken entledigt; nnn wird
in den Vesnvstädten die Klcinkunst der Alten
entdeckt, und die oft ungemessene Willkür der
Plastischen Erfindung klingt in dieser Knnst des
Louis XVI. zu einem harmonischen Akkorde aus.
Das dentsche Kunsthandwerk hat dieser
naivcn Grazie seithcr nur sclten einen Zug ab-
gesehen. Wv wäre cs ihr auch begegnet? Was
sich bei uns an verwnndten Arbcitcn dnrch ein
Jahrhundert gerettet hat, die Setzuhr des Em-
pire-Stiles mit ihrcn locker kvmponirten Alle-
gorien, hat meist die schmale Grcnze übcrschrilten,
welche hier das Gefällige vvn dem Absnrden
trennt. Nur ganze Künstler können uns helfen.
Die Kandelaber, welche wir als Proben
mitteilen, werden einen Begriff dieser anmutigen,
hentc aufs höchste geschätzten Kunst geben. Wir
denken in einer der nächsten Nummcrn die Ab-
bildung einer Standuhr nachzutragen, welche
Barbödienne nach einer Zeichnnng des Clodion
in Bronze ausgeführt hat: ein leicht geschürztes
Paar begegnet sich im flüchtigen Schritte und
reicht sich die Lippen zum flüchtigen Knß. Läßt
sich die Sekunde anmntiger symbolisiren?
Auch Clodivns heitere Phantasie hatte nur
einen kurzen Lenz. Vor der kahlcn Jntelligenz
der Revolutionskunst fand er eine Weile in sei-
ner Heiniat Nancy Znflncht. Dann zolltc auch
 
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