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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

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Hofmann, Albert: Das Kunstgewerbe auf der Berliner und auf der Münchener Kunstausstellung 1898, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0075
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DAS KUNSTGEWERBE AUF DER KUNSTAUSSTELLUNG IN BERLIN UND MÜNCHEN 1898 67

Schönsten oder Schlimmsten im menschlichen Leben
zu rechnen ist?" In diesen Worten liegt die Signa-
tur für den Kampf der Meinungen. Urteilt man
lediglich nach den hier be-
sprochenen Ausstellungen, so
könnte man geneigt werden,
dem zweiten Teil des Satzes
zuzustimmen. Zieht man aber
auch den keineswegs unbe-
trächtlichen Teil des Kunst-
gewerbes in Rücksicht, welcher
durch die Architektur und
unter ihrem Einfluss entsteht,
so wird man sich dem ersten
Teil des Satzes zuwenden
müssen. Es scheint also, für
den, welcher in der Lage ist,
die kunstgewerbliche Produk-
tion nicht nur auf den jeder-
mann zugänglichen Ausstel-
lungen, sondern auch in den
dem allgemeinen Zutritt ver-
schlossenen Hervorbringun-
gen der Architektur zu ver-
folgen, als ob sich einst-
weilen noch die Richtung der
„früher beschrittenen Wege"
und die Richtung der neueren
Wege die Wage hielten. Wie
lange das noch der Fall sein
wird, steht dahin. Der An-
sturm der Neuerer ist zweifel-
los stark und zielbewusst.
Sollten aber» unserer Väter
Werke" wirklich auf ein-
mal so sehr zu verachten
sein? Es wäre kein Ge-
winn, wenn die moderne
Bewegung auf dieses hero-
stratische Ergebnis hinaus-
liefe.

Einen unbestrittenen,
deutlich und klar festzu-
stellenden Gewinn hat
diese aber unzweifelhaft
darin gehabt, dass es den
Kommissionen der Kunst-
ausstellungen ohne Ge-
waltakt nun nicht mehr
möglich sein wird, das
Kunstgewerbe von ihren
Veranstaltungen auszu-
schliessen. Denn sowohl in
Berlin wie auch in München
konnte die im höchsten

Vasen, in Silber getrieben von Professor A. Offterdinoer, Hanau.

Grade erfreuliche Wahrnehmung gemacht werden,
dass die kunstgewerblichen Säle von einer teilnahms-
vollen Menge durchflutet wurden, während für die
anderen Säle das Interesse
einer geringeren Menge in
manchenFällen mehr ein plato-
nischeszuseinschien. Diesem
Eindruck werden sich die
Leitungen der Kunstausstel-
lungen in dem angedeuteten
Sinne nicht verschliessen kön-
nen. Die Bereicherung aber,
welche die letzteren aus den
neuen Verhältnissen ziehen
werden, ist keine unerhebliche
und sie würde sich fortgesetzt
steigern können, wenn nicht
die Maler und Bildhauer als
die Beherrscher der Kunstaus-
stellungen eines schönenTages
erkennen würden, dass ihre
Werke durch die kunstge-
werblichen Abteilungen etwas
zurückgedrängt werden. Die-
se Erkenntnis kommt un-
zweifelhaft und mit ihr eben-
so unzweifelhaft der weitere
Schritt, dass man nach einem
geeigneten Grunde sucht, die
eingegangene Ehe, in welcher
sich die Schwergewichtsver-
hältnisse so sehr zu verschie-
ben drohen, wieder zu
lösen. Dann wird viel-
leichtandieKunstgewerbe-
Vereine, deren Leistungen
für die öffentliche För-
derung des Kunstgewerbes
bisher nur sehr beschei-
dene waren, die Pflicht
herantreten, der vorwärts
drängenden Bewegung
sich anzunehmen und für
sie einen entsprechenden
Ausdruck im öffentlichen
Leben zu suchen. Erst
wenn ein solcher gefunden
sein wird, wird man die
Bewegung als stabilisiert
betrachten können. Einst-
weilen ist sie das in ihren
Erscheinungsformen noch
nicht; einstweilen wird sie
nur erst von einem Grund-
satze geleitet, welcher
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