Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

DOI Artikel:
Weinmayer, Konrad: Die kgl. bayrischen Fachschulen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0009

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Schlüsse zulassen, als hier die Leute aus allen Teilen
des Landes Zusammenkommen. Mit frischem Griff hat
die Regierung die letzten Maschen des alten Kulturnetzes
aufgenommen und drumherum das neue angelegt nach
den Prinzipien des modernen deutschen Kunstgewerbes.
Dieses aber ist mit ihrer Schwester, der modernen
deutschen Architektur, bislang die größte Tat des
20. Jahrhunderts. Und ebenso international — in der
Anwendung aller praktischen Techniken der Erde —
und kerndeutsch in der Ausreifung aller Elemente,
wie das deutsche Kunstgewerbe in den Städten, ist
das in den Fachschulen Gelehrte. — Das kleine Kunst-
gewerbe, unter dem wir hier Töpferei, Schlosserei,
Korbflechterei, Porzellan- und Glasindustrie usw. ver-
stehen, war eingeschlummert. Die Gewerbler hatten
jede lebendige Fühlung mit dem lebendigen Material
verloren und teilweise eine furchtbare Gedankenfaul-
heit, Gedankenarmut sich gezüchtet, indem sie die
einfachsten Dinge aus den städtischen Fabriken be-
zogen, die in der gewissenlosesten Weise mit dem
Heiligsten des Volkes Hohn treibend, aufs Land die
geschmacklosesten Dinge schickten. Sie werden nieder-
gerungen werden. In den Schulen hat es einge-
schlagen. Mit 16 bis 18 Jahren treten die Schüler ein,
um in jahrelanger, strammer Arbeit unter der Leitung
ausgezeichneter Männer ihr Handwerk zu erlernen
und endlich draußen in ihren Städtchen und Dörfern
selber wieder Kunst zu schaffen, wie es in alten Tagen
war. Es sind keine Utopien, denen wir uns hin-
geben. Die uns aus den Schulen vorliegenden Re-
sultate, vor allem der allerletzten Zeit, gehören zu
dem allerbesten, was auf diesen Gebieten überhaupt
jetzt geschaffen wird. □
□ Von der alten Volkskunst ist dem modernen Men-
schen die Keramik wohl mit am geläufigsten. Darum
mag auf die Fachschule für Keramik in Landshut an
der Isar zunächst verwiesen werden. Von den Er-
zeugnissen dort führen deutliche Fäden zur alten
Keramik hinüber und es ist sehr erfreulich, daß das
vor allem vom Kolorit des Dekors gilt, das einst so
glänzend war. Im übrigen stehen wir vor völlig
modernen Kunstwerken. Kein hauptsächlich gefühls-
mäßiges Schaffen mehr! Unbedingtes Sicheinfühlen
ins Material und ehrlich deutsches, in allen Teilen
völlig klares Herausarbeiten einer schönen und prak-
tischen Form. Die Schüler dieser, unter der be-
währten Leitung von Wilhelm Rudolf stehenden Anstalt,
die keine Neugründung ist, deren Erblühen'aber erst
datiert, seit die Regierung sich ihrer annahm und sie
vor allem finanziell freier machte, werden im deutschen
Kunstgewerbe gesuchte Kräfte werden. Und alles, die
prachtvollen Schüsseln und Teller und Kannen und die
ausgezeichneten Öfen haben erschwingliche Preise.
□ Die Fachschule für Porzellanindustrie in Selb bei
Hof hat bereits im ganzen Reiche trotz ihres kurzen
Bestehens einen glänzenden Ruf, der von dem Namen
des Führers, Professors Fritz Klee, untrennbar ist.
Oberfranken ist ein Hauptgebiet der bayrischen Por-
zellanindustrie. Sie kann dort viele den Begriff echter
Porzellankunst lehren. Die Tierfiguren Klees und
seiner Schule haben in der gesamten Kunstwelt Auf-

sehen erregt, und die Selber Services in ihrer präch-
tigen Klarheit können sich auch überall sehen lassen.
Keine Tändelei, alles straff disponiert und ein echtes
Kunstwerk. Und die Preise sind auch hier mäßig.
Darum weist auch die Verkaufsstatistik ausgezeichnete
Resultate auf. Die auf alten Lorbeeren ausruhenden
oder die ausgesprochenen Kitschfabriken mögen auf-
wachen! Gerade Selb ist geeignet, der Industrie die
Augen zu öffnen. Stetig im Steigen begriffen ist auch
die Bedeutung der Zwieseler (Niederbayern) Fach-
schule für Glasindustrie und Holzschnitzerei, an deren
Spitze Bruno Mauder und der Bildhauer Meier stehen.
Die Formen sind alle vollständig modern und weisen
eine wundervolle Ornamentierung auf. In einer über-
raschend klaren Ätzung begleiten die Dekors die Funk-
tionen der Gefäße. Sie klettern an ihnen empor und
schlingen sich um ihre Leibung wie Eisblumen oder
wie gewisse langwurzelige Wasserpflanzen, die sich
unterm Wasserspiegel mit den Wellen mitbewegen.
Außer der Zwieseler Schnitzschule gibt es solche in
Oberammergau und Berchtesgaden, die überdies zu
den ältesten Schulen des Landes gehören. Die Motive
wechseln frisch, es zeigt sich erfreulich ein tüchtiges
Studium nach der Natur. Ganz hervorragende Lei-
stungen aber liegen vor allem von der Schnitzerschule
auf dem Gute Neuhammer bei Wintersbach im Spessart
vor. Die Ausführung des prachtvollen Geigenschrankes
für die Geigenbauschule in Mittenwald ist allen Lobes
wert. Es ist weiter zu erwähnen die Schnitzschule in
Partenkirchen, die auch ganz Vorzügliches schon schuf
und die vor allem dadurch viel Freude macht, daß
sie von den Gebirgssc’nulen am wenigsten in ihren
Erzeugnissen mit dem Fremdenpublikum rechnet, und
die Schule in Bischofsheim vor der Rhön. Von einer
für die gesamte moderne Kunstgewerbebewegung
enormen Bedeutung ist vor allem auch die Fülle
frischen Lebens in den Spitzenschulen. Langsam aber
gründlich wird mit dem Alltäglichen aufgeräumt. Die
Schulen zu Tiefenbach, Stadlern, Schönsee und die
Stickereischule zu Enchenreuth liefern ganz Vorzüg-
liches, und für die Fülle von neuen Gedanken und
die erstklassige technische Qualität und die Menge
emsiger Arbeit, die eine Spitze verschlingt, sind auch
hier die Preise sehr niedrig. In Münchberg ist eine
ausgezeichnete Webeschule und in Lichtenfels eine
solche für Korbflechterei organisiert, die von dem
oben erwähnten Enchenreuth die Stickereien für ihre
wunderschön straffen Flechtwaren bezieht. Neben
der auch sehr fruchtbaren Handwerkerfachschule in
Augsburg wäre nun vor allem noch die »Lehr- und
Versuchsanstalt für Photographie, Chemigraphie, Licht-
druck und Gravüre zu München« zu erwähnen. Die
Namen des Leiters, Professors Emmerich und eines
Mannes wie Franc Eugen Smith haben von Anfang
an das Beste erwarten lassen. Seit 1908 sind auch
weibliche Schüler zugelassen, und Baden, Württem-
berg und die Reichslande gewähren den Teilnehmern
ihrer Länder staatliche Hilfe. Auch auf diesem Ge-
biete wurde in Stadt und Land unglaublich gesündigt.
Die Schule bildet ihre Schüler technisch glänzend aus
und lehrt sie in der Porträtphotographie fein die

2
 
Annotationen