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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Dönhoff, Fritz: Das 150 jährige Jubiläum der kgl. Porzellan-Manufaktur in Berlin
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Mhe, Herbert: Das moderne Porzellan der Berliner kgl. Manufaktur
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0053

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Im Jahre 1881 wurde die Stellung des künst-
lerischen Direktors geschaffen, die zunächst der Bild-
hauer Sußmann Hellborn, von 1887 ab der Maler
Alexander Kips übernahm. Hiermit waren die Kunst-
bestrebungen nach längerer Vernachlässigung wieder
in den Mittelpunkt der Tätigkeit gerückt. Und nun
setzte, während eine weitere Vervollkommnung der
technischen Leistungen nebenherging, namentlich unter
der Kipsschen Leitung eine Neugestaltung der Kunst-
abteilung, die Heranbildung eines Stammes tüchtiger
junger Kräfte und mit ihnen ein reges künstlerisches
Schaffen ein. Es erwarb dies der Manufaktur, so-
lange nicht die langsam herannahende totbringende
Krankheit, die Kips zu frühzeitigem Auscheiden zwang,
ihre Schatten auf seine Arbeiten warf, seit langen
Jahren endlich einmal wieder reiche Anerkennung.
Auf der Grundlage erstklassiger technischer Er-
zeugnisse künstlerisch Mustergültiges zu leisten, ist
seitdem das unablässige Streben der Manufaktur ge-
blieben. Entsprechend den Wünschen ihres großen
Kundenkreises schöpft sie dabei dauernd aus dem
köstlichen Schatz alter Formen und Muster, die in den
150 Jahren zu vielen Tausenden entstanden, auf ihren
weiten Speichern sich angesammelt haben. Daneben
aber hat sie die ebenso bedeutsame wie schwierige
Aufgabe, an einer organischen Weiterentwicklung der
Kunst und damit an einer Bereicherung des Kultur-
schatzes des deutschen Volkes mitzuarbeiten. Wie
reiche Erfahrung sie lehrt, wird sie sich dabei, wenn
anders sie ihre führende Stellung behaupten will,
ebensosehr davor hüten müssen, die Fühlung mit
dem gesunden künstlerischen Empfinden der Zeit zu
verlieren, wie sich von vorübergehenden und irre-
führenden Modeströmungen leiten zu lassen.
In der wirtschaftlichen Lage der Manufaktur, der
jahrelang geringere Aufmerksamkeit gewidmet worden
war, hat erst in neuester Zeit wieder eine Festigung
Platz gegriffen. Während in den ersten hundert Jahren
dauernd mit Überschüssen gearbeitet wurde, erwiesen
sich von 1876 ab immer wachsende bare Zuschüsse

aus der Staatskasse als unerläßlich. Sie erreichten 1887
bis 1893 ihren Höchststand mit einem durchschnitt-
lichen Jahresbetrag von mehr als 80000 Mark. Nun-
mehr erfolgte nach Schaffung der Stelle eines eigenen
Verwaltungsdirektors eine Neuorganisation des Be-
triebes, welche zu übersichtlicher Klarheit in den Ge-
schäftsvorgängen und zur Hebung der Verantwort-
lichkeit der der Direktion nachgeordneten Stellen führte.
Hierauf begannen nach den Leistungen auch die
Finanzen sich dauernd zu bessern. Obwohl in dieser
Zeit auch für die Arbeiterfürsorge erhebliche Mittel
bereitzustellen waren, schließt daß letzte Jahrfünft
wiederum mit einem durchschnittlichen Jahresüber-
schuß von 100000 Mark ab. Dabei ist der Betrieb,
der jetzt über ein Personal von etwa 650 Köpfen
verfügt, heute mit Aufträgen so stark bedacht, daß
zur Befriedigung dringender Bedürfnisse größere Neu-
bauten zur zwingenden Notwendigkeit geworden sind.
□ So steht die Manufaktur bei ihrer 150jährigen
Jubelfeier, unter den hell leuchtenden Strahlen kaiser-
licher Huld, trotz mannigfacher aus dem Wechsel der
Zeiten geborener Umgestaltungen, stolz auf ihre Ver-
gangenheit, lebensfrisch und zukunftsfreudig da, gewiß,
heute wie nur je an den Kulturaufgaben des Staates
erfolgreich mitzuarbeiten.
Wir aber, die wir ihr nahestehen und ihre Werke
lieben, fassen die Wünsche, die wir in dieser Stunde
für ihre Zukunft auf dem Herzen tragen, in Anlehnung
an die Worte, die Friedrich der Große in seinem
Testament dem Staate Preußen widmet, dahin zu-
sammen:
Möge die Manufaktur immer mit Weisheit, Kraft
und im Geist sozialer Gerechtigkeit geleitet werden.
Möge sie für Technik und Kunst in deutschen Landen
stets ein Vorbild sein. Mögen ihre Beamten und
Arbeiter miteinander wetteifern in treuer Pflichterfüllung
und ihnen das Interesse des Betriebes einziger Leit-
stern sein. Und möge sie so, mit dem Staate, dem
sie zueigen, wachsen, blühen und gedeihen bis in
die fernsten Zeiten!

II.
DAS MODERNE PORZELLAN DER BERLINER KGL. MANUFAKTUR
VON HERBERT MHE

DIE Erfindung und die enthusiastische Liebe des
Porzellans rührt aus jener merkwürdigen Zeit der
Allonge-Perücke, der Atlaskleider, der Vorliebe für
Purpur und Gold und Kostbarkeiten. — In der damaligen
Menschheit äußerte sich die unerhört intensive Geste eines
gerundeten, weit ausholenden Rhythmus. Die Architektur,
die Kunst, das Leben durchschwang er mit einer für uns
heute staunenswerten Kraft und Folgerichtigkeit. Der
Mensch jener Zeit war in einem Taumel nach kostbarer
Schönheit. Er häufte sie zu einer Üppigkeit, die uns ver-
wirrt. Er liebte das Seltene, das Staunenswerte; ihn zog
das Fremde gierig an; seine Sehnsucht war, das Unbe-
kannte, Ungewohnte zu besitzen, das Unerhörteste in
sich aufzunehmen. Das Afrikanische und das Asiatische
kam nach Europa. China erhitzte die Phantasie . . .

Was für ein Wunder war es, daß sein Porzellan, mit
Wundermären der Reisenden aus diesem Land umwoben,
zart und dünn wie Eierschalen, durchsichtig wie Milchglas,
mit fremdartigen Blumen und Goldgittern bemalt, an Zahl
gering, den Wert des Fabelhaften fand?! Dazu kam, daß
sich der stilistische Ausdruck dieser chinesischen Arabesken
wie eine Überraschung dem barocken Geiste des West-
europäers darbot! China schien dem Drang zur Bizarrerie,
zum Preziosen in ungeahnter Möglichkeit entgegenzu-
kommen. Es wirkte wie die klare Verkündigung eines
bisher latenten Gedankens. Doch, und das ist das Starke
dieser ganzen Zeit, man begnügte sich nicht allein mit
dem Geschenk dieses Wunderlandes. So außerordentlich
hoch der Wert seiner Kunstwerke und Gebrauchsgegen-
stände betrachtet wurde, durch die Seltsamkeit, die Schwie-

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