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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0021

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

LITERATUR
n Frid. Rimmeie, Aus dem Hoppenlaufriedhof Stutt-
gart. Eine interessante Erscheinung von jeher war der
Klassizismus, dessen Streben ja bekanntlich danach ging,
die absolut reinen Formen der Antike wieder zu schaffen;
jene Form, die einfach alles in sich barg, die in sich so
harmonisch abgeschlossen war, daß man weder ein Glied
hinzufügen noch wegnehmen dürfte, ohne das Ganze zu
zerstören. Diese Einheit in der Erscheinung wurde niemals
wieder in dieser Vollkommenheit erreicht. Später wurden
die griechischen Formgedanken von Rom übernommen,
weiter entwickelt und dem eigenen Charakter angepaßt.
Nun kam in dieser üppigen, auf die Dekoration gerichteten
Welt des alten Rom wieder das Verlangen, sich zu be-
schränken, man suchte nach einem neuen Ausdruck und
fand endlich das Gesuchte in den Werken der griechischen
Blütezeit — und der Klassizismus war geboren. Merk-
würdig ist es nun, wie beinahe durch alle Stile dieses
klassizistische Motiv, wie wir es nennen wollen, auftritt,
wenn die alten Formen eine Steigerung des Ausdrucks nicht
mehr erreichen. Wir sehen dies alsdann in der Renaissance
in Italien und Frankreich, im Barock, im Rokoko und end-
lich zu Beginn des vorigen Jahrhunderts, ungefähr von der
Zeit um 1800 an bis zu den fünfziger Jahren. Diese
klassizistische Kunst wird ja neuerdings sehr geschätzt,
zahlreiche Werke wurden herausgegeben und fanden ge-
nügend Absatz, da sie in Architekturkreisen sehr begehrt
waren. Manche dieser klassizistischen Schöpfungen mutet
uns etwas schulmeisterlich und kalt an, aber bei näherer
Betrachtung entdeckt man doch so viel liebenswürdige
Züge, so viele Feinheiten und so manches Motiv, wirklich
empfunden und nicht konstruiert. □
o Besonders in Schwaben ist manches schöne Bauwerk zu
jener Zeit erstellt worden durchMänner wie Thouret, Salucci
und noch einige andere, welche samt und sonders wiirttem-
bergische Hofbaumeister nacheinander waren. Eine Reihe
Privathäuser, Schlösser und Denkmäler der wiirttembergi-
schen Krone legen heute noch Zeugnis ab für die da-
malige Stilrichtung. □
□ Ein ganz köstliches Kleinod klassizistischer Kunst ist nun
der sogenannte Hoppenlaufriedhof in Stuttgart, der idyllisch
inmitten der Stadt liegt und vor einiger Zeit aus verkehrs-
technischen Rücksichten von der Bildfläche verschwinden
sollte. Im Sinne der Heimatschutzbewegung und der
Kunstfreunde lag diese Verordnung allerdings nicht, großer
Protest erhob sich und eine weitere Frucht dieser Auf-
regung war auch unser Büchlein. Mit wenigen Ausnahmen
stammen die Grabsteine aus der Zeit zwischen 1800—1850
und es besteht die Vermutung, daß mancher Entwurf von
der Hand unserer schwäbischen Hofbaumeister stammt.
Wenn man das Werk durchblättert, stößt man auf Arbeiten,
die einen geradezu entzücken, einfache, klare und an-
spruchslose Monumente in schönen Verhältnissen, mit
reizenden ornamentalen Ausschmückungen. Bisweilen
stehen auch Grabsteine, die an römische Vorbilder er-
innern und gewissermaßen ins Biedermeier übersetzt sind,
durchaus frei in der Auffassung und mit feinem Gefühl
nur Motive ausgewählt und übernommen, die im Sinne
der Zeit lagen, ohne jenen Nachahmungstrieb zu zeigen,
der später zu den geschmacklosen Stilkopien geführt hat.
Es liegt vor uns ein Büchlein, das ein allgemeines Inter-
esse auf sich ziehen sollte und deshalb nicht nur lokale
Bedeutung beansprucht. Was die Ausstattung betrifft, so

muß man sagen, daß sie wohlgelungen ist, der Text be-
steht nur in einem Vorwort und im übrigen sprechen die
zahlreichen guten Abbildungen genug für sich. Nur hätte
es sich vielleicht empfehlen dürfen, soweit dies angängig
ist, die Namen der Schöpfer beizuschreiben. Oscar Heiniz.
Rudolf Czapek. Grundproblemc der Malerei (Leipzig 1908.
Verlag von Klinkhardt & Biermann). □
o Das Buch schien im Anfang die Absicht zu verraten,
klar, folgerichtig und fern von jeglichem subjektiven, partei-
leidenschaftlichen Überschwang, in zusammenhängender
Entwicklung, die theoretischen Prinzipien und Probleme
der Malerei darzustellen. Diese Aufgabe wurde mit Fein-
sinn, Klugheit und weiser Beschränkung gelöst; nicht eben
tief interessierend und zum Grübeln reizend, da die Ge-
lassenheit den, fast allzu intellektuell gerade gezogenen
Weg der Folgerungen nicht besonders auffällig verließ.
Vielmehr trafen sich, für den, dem ein wenig die neueren
kunsttheoretischen Schriften bekannt sind, nicht selten um-
fangreiche, gut bekannte Stellen, die bald auch, hoffentlich,
dem Laienpublikum Gemeinplätze werden dürften. Das
aber schien dem Buche dennoch nicht zu schaden ; denn
wer einen geraden Weg durch die »Probleme« nimmt,
stößt eben auf Alltägliches und selten auf Neues, will
oder kann er nicht Eigenes äußern. □
□ Das Wesen des Malerischen, im Bild gefaßt, wurde
betrachtet auf den Zweck hin, der Augenlust zu genügen
und, in höherem Ziel, die Seele zu erwägen und zu be-
reichern. Von den grundlegenden Prinzipien (die Hilde-
brand jedoch ungleich tiefer und »metaphysischer« gefaßt
hat) ging Czapek über die technische Auffassung und eine
oberflächliche geschichtliche Darstellung zum Problem des
Bildes, hier über den Naturalismus zum Kompositorischen.
Dieses Problem wurde durch Betrachtung des Fleckens,
der Linie, des Helldunkels, oder besser Dunkelhells, wie
Czapek zur Rekonstruktion des flach und unscharf ge-
wordenen eigentlichen Sinnes klug vorschlägt — durch
Betrachtung der Harmonie, Proportion und Dynamik gut
entwickelt.
c Hier nun endlich tritt langsam das eigentliche Ziel, die
subjektive Anschauung des Verfassers hervor. Bisher nicht
gerade vermißt, hatte ihre Unterdrückung den Leser an-
nehmen lassen, das Buch bedeute und beabsichtige nichts
weiter als eine klare, anschauliche, objektive Darstellung
der malerischen Probleme im Zusammenhänge, was sich
jetzt als ein Irrtum herausstellt. Der Leser ist irregeführt,
vielleicht nicht einmal mit Absicht. Dem Laien gegenüber
bedeutet diese Überraschung vielleicht sogar eine nicht
unkluge Handlung der Pädagogik. Von solchen praktischen
Werten abgesehen, bringt diese Entwicklung nur Unklar-
heit. Man kann nicht, oder besser, man sollte auch nicht
allgemeine Probleme in der Breite historischer Aufzählung
unpersönlich farblos darbieten, um am Ende seinen Willen
zum Kampf für eigene Ideen überrumpelnd zu äußern. □
□ Dem gegenüber wird ein Buch, wie etwa Kandinsky es
schrieb, wertvoller. Man weiß, was einen erwartet: Einseitig-
keit, Übertriebenheit,Wildes, fast Verletzendes; aber man ist
vorbereitet, wehrt kräftig ab, wird zuweilen mitgerissen
und erregt in sich durch Streit und Widerstreit eine, wenn
auch noch so geringe positive Anschauung, die mehr
schöpferische Kraft in sich birgt als jene, in der Ent-
wicklung zu selbstverständlich klare, in der Absicht so
unklar machende Problementwicklung Czapeks. Dabei ist
Czapek ein Maler, der, vielleicht nicht ganz so radikal wie

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