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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Rauecker, Bruno: Die Bedeutung des Kunstgewerbes für den Gang und Aufbau des deutschen Handels
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0016

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innen her folgerichtig zur Oesammtstruktur des neuen Haus-
baues kam. Es mag sein, daß im Laufe der kommenden
Zeit die revolutionierte Schulung in den Kunstgewerbe-
und Gewerbeschulen, wie in den technischen Hochschulen,
die heute bestehende Diskrepanz zwischen Ausstattung und
Erbauung eines Hauses wirkungsvoll ausgleichen und ein
ästhetisch wie wirtschaftlich gleich wertvolles Zusammen-
wirken von Architekt und Ausstattungskünstler zur Folge
haben wird, — wirtschaftlich bedeutungsvoll im Hinblick auf
die Wiedereinsetzung des Handelsparasiten wird auch diese
erneute Arbeitsteilung nicht sein. Denn höchst bedeutsam
als Beleg auch für diese Tatsache erscheint die Klage der
Kammer für Kleinhandel zu Bremen (Bericht 1911, S. 39):
»Der Verkauf des sogenannten großen Möbels (Handels-
ware) ist noch in demselben Stillstand wie in den letzten
vier Jahren. Die Gründe dafür sind verschiedener Art. Die
Raumverteilungen der modernen Häuser der letzten Jahre
bedingen sehr häufig Möbel, welche denselben angepaßt
werden müssen, wohingegen Handelsware weniger für
moderne Raumflächen oder Nischen (!) verwendbar ist,
sondern sich mehr für alltägliche Räume, vor allem für
Mieträume eignet.« Es wäre einer Doktoraufgabe wert,
einmal auf die Zusammenhänge zwischen Gartenstadtbe-
wegung, Einfamilienhaus, Erbbaurecht, Bodenreform einer-
seits — den Handelsgebräuchen, Formen der Handels-
unternehmungen andererseits überzeugend hinzuweisen! o
□ Wir aber, die das Auswirken der wirtschaftlich und
ästhetisch produktivsten Kräfte im deutschen Wirtschafts-
leben zugleich ersehnen, wollen zum Schluß noch Um-
Kunstgewerbeblatt. N. F. XXV. H. 1

schau halten, unter welchen weltwirtschaftlich bestimmten
Bedingungen unser Kunstgewerbe weiterhin erblühen und
dem Handel wirksame Aufgaben zuwesen kann. □
□ Da zeigt es sich denn auf allen Gebieten, die der Durch-
setzung mit künstlerischen Formen bisher zugänglich waren,
daß die Zweckform das international Gangbare geworden
ist. Das kunstvoll Nationale, das immer wieder die Eigen-
arten des produzierenden Volksstammes betonte und —
je nach der Eigenart — bieder oder bäurisch, flink oder
spielerisch zu nennen war, blieb dem Inlandsmarkt Vorbe-
halten. (Es sei denn, daß die Umsätze in sog.. »Volks-
kunst«, dieses reine Abzielen auf bürgerliche Sentimen-
talitäten, im Weltmarkt eine Rolle spielen konnte. Es ist
dies nicht nachzuweisen und also zu bezweifeln.) Für
Tintenfässer, Klubsessel und Waschgefäße, für Teller, Be-
stecke und Aschbecher aber steht fest, daß die allgemein
verbreiteten Bedürfnisse der Völker europäischer Herkunft
sie dazu bestimmt haben, sich in der kunstgewerblichen
Zweckform dem Weltmarkt wirksam anzubieten. Da nun
aber kein aufblühendes Gewerbe heutigen Tages vom
Inlandsmarkt allein bestehen kann, wird es Aufgabe aller
Einsichtigen sein, dem Ausbau dieser Zweckform größte
Achtung zuzuwenden. England hat mit seinem »China«
dem Frankreich des Sevresporzellans den Rang abgelaufen.
Das gibt zu denken. So »unhistorisch« wir in künstlerischer
Hinsicht sein mögen, in der Volkswirtschaft belehrt uns
die Vergangenheit. Ohne das gehörige »Habt Acht« vor
ihren Geboten wird auch der stürmischste Drang zur
»künstlerischen Kultur« fruchtlos im Sande verebben. □
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