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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Astfalck, Konrad: Gobelins
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0029

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a Und doch — das bleibt wahr! — ist der alte
Gobelin, selbst der allerteuerste, immer doch noch
die allerbilligste aller Antiquitäten; denn von allen
Kunstdenkmalen vergangener Zeiten ist keine andere
Art, echt und antik, soviel billiger, als ein gleich-
wertvolles neues Stück der gleichen künstlerischen
Qualität wie das Original (von Kopien ist nicht die
Rede, sondern nur von Originalen), wie gerade der
Gobelin! □
□ Und trotz seiner großen Verbreitung und der fast
allgemeinen Sympathie, die der Gobelin überall
findet: Keine andere Antiquität, wenn ich mich ein-
mal so ausdrücken darf, ist in ihrer Wesensart und
ihrer, eigentlich so fabelhaft einfachen und doch so
unendlich mühseligen und zeitraubenden Herstellung,
der Allgemeinheit so geheimnisvoll und kompliziert
geblieben, und nirgendwoanders in dem weiten Ge-
biet der Antiquitätenkunde sind die Begriffe bei
Käufern und Verkäufern so verworrene, so fehler-
hafte, so unklare, wie gerade beim Gobelin. □
□ Ein Rechtsstreit, der soeben, auch in zweiter In-
stanz, nach dem Antrag des Klägers entschieden
worden ist, und worin es sich im wesentlichen darum
drehte, daß die Bezeichnung »Gobelin« für die im
Aussehen ähnlichen, aber ganz artunverwandten fran-
zösischen Jacquardgewebe nicht angewendet werden
dürfe, gibt mir einen willkommenen Anlaß, wieder
mal etwas über den immerhin recht mysteriösen
»Gobelin« im allgemeinen und speziellen zu erzählen,
um so mehr, als ich konstatieren darf, daß just die
fachmännischen Ausführungen meines eingehen-
den Gutachtens, das als Beweismaterial dem Senat
des Berliner Kammergerichts vorgelegt werden durfte,
für den Entscheid dieses interessanten Streitfalles in
der Berufungsinstanz ausschlaggebend geworden ist.
□ Natürlich spitzte sich die ganze Frage darauf zu:
»Was bedeutet heute ,Gobelin'?« □
d Meine vom Kammergericht als richtig anerkannte
Antwort lautete: »Ursprünglich war ,Gobelin' eine
Herkunftbezeichnung, ist aber mit der Zeit, und ganz
besonders in Deutschland, zum Artbegriff geworden!
□ Nun möchte ich gleich hier und nur in ganz
knappen Worten einige historische Notizen geben,
die man auch wohl ganz ähnlich in jedem Konver-
sationslexikon findet; nur um die Mühe des Nach-
schlagens zu ersparen, referiere ich also: □
□ Im Paris des ausgehenden 15. Jahrhunderts lebte
im Foubourg Saint-Marcel, auf einem Grundstück, das
von einem kleinen Flüßchen, der Bievre durchströmt
wird, eine Färberfamilie, Gobelin mit Namen. Der
Stammvater dieser Familie hieß mit Vornamen Gilles.
□ Diese Färberdynastie erwarb sich sehr bald den
Ruf, das schönste Blau und das feurigste Rot
(Scharlach) auf Wolle und Seide aufzufärben. Da
schon damals, genau wie auch noch heute, nur das
Unerklärliche, das Vierdimensionsale Respekt einflößt,
suchte man sich das Geheimnis ihrer unerreichten
Färbekunst mit der ganz besonderen Beschaffenheit des
Wassers eben jenes kleines Flüßchens, der Bievre, das
die Gobelinsche Färberei durchfloß, und das sie beim
Färben gebrauchten, zu erklären. □

□ Ob mit Recht oder Unrecht dies Gemunkel ging,
mag dahingestellt bleiben: Die Leute konnten tat-
sächlich etwas und waren deshalb sicherlich nicht
ohne Verdienst berühmt. n
□ Daß sich dann, ausgangs des 16. Jahrhunderts, in
einem, kommerziell stärker veranlagten Mitglied der
Sippe, der kluge Wunsch regte, ihre bis dahin aus-
schießlich geübte Färberei auch auf die Wirkerei von
Wandteppichen auszudehnen, war ja eigentlich natür-
lich. Denn, so sagte sich der: »Wenn wir das
Wichtigste für die so lukrative Wandteppichwirkerei,
nämlich die Schönfärberei, liefern, so könnten wir ja
auch noch einen Schritt weiter gehen und selbst eine
eigene Bildwirkerei aufmachen!« □
□ Gesagt, getan! □
o Er ließ sich ein paar Dutzend flandrischer Teppich-
wirker kommen, stellte Wirkstühle auf und begründete
damit auf seinem Grundstück eine eigene Wand-
teppichfabrik, die schon von den Chronisten jener
Tage weidlich verherrlicht wird. Man sieht, damals
galt der Prophet noch etwas im Vaterlande! In jenen
Tagen hießen aber diese Wandteppiche noch all-
gemein: »Tappisseries d’Arras« oder »Arazzi« nach
der flandrischen Wirkerstadt Arras so genannt. Hier-
bei handelte es sich also auch um eine Herkunft-
bezeichnung, die ebenfalls, ganz wie heute bei uns die
Bezeichnung »Gobelins«, zum Artbegriff geworden war.
n Und die neue Arazzi-Manufaktur der Familie
Gobelin blühte und gedieh und kam zu hohen Ehren.
□ Colbert, der geniale Minister Ludwigs XIV., immer
besorgt, seinem Souverain neue Einnahmequellen zu
verschaffen, kaufte, als Oberintendant der französischen
Finanzen, um 1662 das alte Familienhaus der Gobelins
an und verstaatlichte im Jahre 1667 die dortige Manu-
faktur unter dem Namen: »Manufacture royale des
meubles de la couronne«. □
a Zum artistischen Direktor des Unternehmens war
von ihm der damals bedeutendste der französischen
Maler: Charles le Brun berufen worden. □
□ Wenn zu jener Zeit von der Familie Gobelin auch
noch zahlreiche Nachkommen existierten: Färber und
Wirker waren sie gewiß nicht mehr! Hohe Staats-
beamte waren es geworden! □
a Doch blieb der Name dem alten Hause und dem
ganzen Unternehmen erhalten, wenn auch unter
Colbert daraus eine Musteranstalt für das gesamte
französische Kunstgewerbe überhaupt geworden war.
n Das war Frankreichs Dank an seine großen Pioniere
des Geschmacks! Auch damals schon sprach man kaum
je von der »Manufacture royale des meubles de la
couronne« — Gott bewahre! Man sprach eben von
der »Manufacture des Gobelins«! °
□ Und wenn schon dort jeder Zweig französischen
Kunstgewerbes gehegt und gepflegt wurde: Die
Wandteppichwirkerei der Manufaktur war und blieb
eben doch die Perle in der Krone! o
n Na, und schließlich sprach man nicht mehr von
»Tapisserien aus den »Gobelins« sondern nur noch
schlechtweg von »Gobelins« überhaupt, wenn von
solchen, dort gefertigten, die Rede war. n
o Das ist die Herkunft von »Gobelin«. □

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