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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Bosselt, Rudolf: Der Jahrhunderttaler und die Münzkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0041

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erreichte künstlerische Wirkung muß sie rechtfertigen.
Die andere Seite fügt sich dem Kreis noch schlechter
ein, obschon auch hier die Beine der äußersten
männlichen Figur nach innen gerückt sind. Der
Platz für die untere Schrift ergibt sich zwanglos
durch den Kreisabschnitt; die obere ist klein, hinein-
gequetscht und störend. Für die Erläuterung der
Darstellung waren beide Legenden zusammen nicht
nötig. Eine hätte genügt. o
□ Auch die andere symbolische Seite ist kom-
positioneil nicht für den Kreis gedacht. Die bild-
liche Darstellung von Adler und Schlange hat eher
die Form einer spitzen Pyramide, die dann wieder
oben durch Schwungfedern des Flügels einen unan-
genehmen Auswuchs erhält. Der Sinn der Dar-
stellung ist unklar — erklärende Worte fehlen. Die
Schlange ist nach gebräulicher Deutung das Symbol
der Klugheit, der Falschheit, der Verführung, der
Zwietracht, des Verrates. Wie stimmt das? n
c So versagt dieser Taler motivisch, kompositionell
und technisch. Was bleibt übrig? Eine schlechte
Münze mehr. Wer trägt die Verantwortung? n
o Ist es nun heute unmöglich, eine künstlerisch
wertvolle Münze zu machen? Liegt es wirklich
daran, daß es keine Künstler gibt, die das könnten?
Ich glaube nicht, daß dem so ist. Gewiß, es ist
kaum anzunehmen, daß es jemand gelingen würde,
sofort auf den ersten Anhieb »die Münze« zu schaffen.
Man kann nicht von heut auf morgen vom tiefsten
Punkt zum Gipfel klimmen. Es wird vieler Wieder-
holungen, immer erneuten Verbesserns, des Zusammen-
arbeitens mehrerer bedürfen, um wieder aufzubauen,
was man für die Münze künstlerische Konvention
nennen kann. Aber etwas ganz Anderes, uugleich
Besseres, als das, was wir jetzt haben, ließe sich auch
heute schon schaffen. °
□ Jedoch die Vorschriften für die Gestaltung der
Münze müßten anders formuliert werden. Ich meine,
die über das, was darauf sein muß. Lind dann müßte
man sich an Künstler wenden. Aber nicht in Form
eines deutsch-nationalen Wettbewerbes über das ganze
Reich, um hundert und mehr Künstler, die sich nie
mit diesen Dingen beschäftigt haben, zu veranlassen,
Entwürfe einzusenden, (handelt es sich doch nur um
eine Münze), in der Hoffnung, einen Preis zu be-
kommen. Ich verkenne gewiß nicht die Wichtigkeit
des guten Entwurfes, aber mit dem Entwurf haben
wir erst einen Teil der Aufgabe gelöst. Zeichnungen
und Modelle allein helfen uns nicht weiter, wir
wollen »die Münze«, die Münze als Ganzes und als
Einheit; und infolgedessen müssen wir uns an die-
jenigen wenden, die über die künstlerischeu und die
technischen Qualitäten zugleich verfügen, die zusammen
treffen und zusammen arbeiten müssen — in einer
Person — damit eine Münze werde. Die paar Leute
in Deutschland, die auf Grund ihrer bisherigen Leist-
tungen ernsthaft für die Lösung solcher Aufgaben in
Frage kommen, kennt man. Sie soll man zum
Wettkampf auffordern, und zwar nicht um einen
Preis mit ein paar Monaten Frist. Eine längere Zeit
müßte man ihn lassen — drei Jahre vielleicht —

damit sie versuchen, ändern, bessern, vervollkommnen
können, und die Einrichtungen der Münzstätte müßten
ihnen für die Versuche zur Verfügung stehen. Auch
angemessen entschädigen müßte man sie natürlich für
ihre Arbeit. Aber selbst, wenn man nun sechs oder
zehn Künstler aufforderte und gäbe ihnen die nötige
Zeit und wendete 100000 Mark oder mehr für die
Aufgabe auf, wäre das wirklich so alles Maß über-
steigend? Wäre diese Ausgabe für Geldstücke, die
täglich Millionen durch die Hände gleiten, nicht ge-
rade so wichtig als Aufwendungen für ein National-
denkmal eines Herrschers? Ja, ist das nicht eigentlich
ein nationales Denkmal? n
□ Aber wenn man das auch tun würde, und ließe die
Vorschriften, wie sie jetzt sind, so würde man doch
keine gute Münze erhalten. Die Künstler wären von
vornherein geknebelt. □
□ Jetzt setzt eine Kommission, der Reichstag oder
das Reichsschatzamt — ich weiß nicht wer — fest,
ehe überhaupt an das Aussehen der Münze gedacht
wird, die Vorderseite muß enthalten: Das! Die Rück-
seite muß enthalten: Das! o
□ Warum, und nach welchen Gesichtspunkten, wird
das vorher geteilt? Warum heißt es nicht: Stücke von
dem und dem Wert tragen Bildnis und Namen des
Landesherrn, ferner die Wertangabe, die Jahreszahl,
und das Münzzeichen, Stücke ohne Bildnis außerdem
die Angabe des prägenden Staates. Die Verteilung
auf die beiden Seiten wird dem Künstler überlassen.
Die Münze »kann« noch enthalten: den Adler, die
Kaiserkrone usw. oder ein anderes Symbol. □
□ Dann müßte man sich, der Größe der Münze
entsprechend, die doch kein Mensch durch die Lupe
betrachtet, zu einer viel größeren Einfachheit verstehen
(die sich übrigens von selbst einstellt, wenn die
Stempel vertieft geschnitten werden). q
□ Betrachten wir ein 10 Mark-Stück. Darauf finden
wir die Umschrift: Deutsches Reich, die Wertan-
gabe: 10 Mark und die Jahreszahl. Ferner einen
Adler. Über ihm schwebt die Kaiserkrone ■— ein
gar komplizierter Apparat — mit zwei ornamentierten
Bändern. Der Adler hat im Brustfeld ein Wappen;
das enthält wieder einen Adler, der in seinen Fängen
Reichsapfel und Zepter trägt. Das Wappen ist um-
kränzt von einer Ordenskelte, deren Glieder ab-
wechselnd aus Adlern und Kreuzen bestehen. Ob
diese Ordenskettengliederadler abermals ein Adler-
wappen im Brustfeld tragen, ist mit unbewaffnetem
Auge nicht feststellbar. Bei alledem findet sich noch
Platz für einen verschnörkelten Schwanz und eine
herausgestreckte Zunge. °
n Das ist die eine Seite. Die andere Seite trägt das
Bildnis und die Umschrift: Wilhelm II. Deutscher
Kaiser König v. Preußen, auch das Münzzeichen.
Auf dem Rand steht: Gott mit uns, mit Schnörkeln
zwischen den einzelnen Wörtern. Und dieses ganze
Geldstück hat die Größe eines Daumennagels. □
d Wenn das alles so bestehen bleiben soll, dann kann
man sich die Aufforderung an die Künstler schenken.
□ Nun komme ich zum Bildnis. Wie ein Bildnis
auf einer kleinen Münze aussehen muß, davon haben

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