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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Wallsee, H. E.: Die neue Kunstgewerbeschule in Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0069

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wendigkeit einer Universitätsgründung ebenso glatt be-
streiten. Man könnte dagegen halten, daß die leidige
Geldfrage sowohl bei dem Für wie bei dem Wider
entscheidend mitgesprochen haben dürfte, denn zwei
Millionen Mark (das ist die in runder Zahl ausge-
drückte Kostenziffer für die Kunstgewerbeschule) sind
leichter aufgebracht, als die mehrfachen Zehnmillionen
(hier gehen die Kostenvoranschläge noch auseinander),
die die Universität erfordert. Wer so spricht, kennt
Hamburg nicht, ln Hamburg ist die Notwendigkeits-
frage immer das Primäre, und wenn die Schaffung einer
Universität für den Stadtstaat an der Elbe ebenso
als Notwendigkeit empfunden worden wäre, so hätte
sie eine ebenso glatte Lösung erfahren, wie jene der
Kunstgewerbeschule.
Zweierlei hat für diese Schule den Boden bereitet.
Das Werk des Hamburger Museums für Kunst und
Gewerbe und das Bedürfnis, was im Grunde eigent-
lich ein und dasselbe ist. Denn indem Justus Brinck-
mann, der geniale Leiter des Kunst- und Gewerbe-
museums, dessen Besitzstand ununterbrochen weiter
ausgebaut und durch viel besuchte Vorlesungen in
weiten Kreisen der Bevölkerung den Sinn geweckt für
den Nutzen eines entwickelten Kunstgewerbes, hat
er das Bedürfnis für gute, kunstgewerbliche Werte
erst geschaffen. Und nachdem der, mit gar feinen,
aufnehmenden Sinnen ausgestattete, im Welthandel
stehende Hamburger Kaufmann erst einmal erkannt,
welchen Wert es hat, auch auf den vom Kunstgewerbe
genährten Gebieten seine Konkurrenzfähigkeit zu be-
haupten, bedurfte es nur des rechten Augenblickes und
des richtigen Mannes, um der neuen Kunstgewerbeschule
ins Dasein zu verhelfen. Dieser Augenblick war ge-
geben, als das Museum Anspruch auf die von der
Kunstgewerbeschule benutzten Räume erhob, die sich
bis dahin im Hause des Museums befanden, und
der richtige Mann stellte sich ein in dem in Elberfeld
auf dem gleichen Gebiete bereits zu greifbaren Ergebnis-
sen gelangten Direktor Richard Meyer. Hatten diese Be-
dingungen den Entschluß zur Schaffung eines eigenen
Heims für die Kunstgewerbeschule gezeitigt, so war
mit der Berufung des Prof. Fritz Schumacher zum
Hamburger Stadtbaudirektor die Stunde der Tatwer-
dung dieses Entschlusses selbst gekommen. Das von
Direktor Schumacher dem Senat unterbreitete Projekt
erhielt am 4. Mai 1910 die Zustimmung der Bürger-
schaft. Es wurden 1985300 M. bewilligt, 1690300 M.
für den Bau, 295000 M. für den Ankauf von Lehr-
mitteln und Mobilien.
Bis zur Auflassung der alten Friedhöfe (1916), durch
die nach dieser Seite einige Luft geschaffen werden
wird, fehlt es an guten Bauplätzen für die Errichtung
von Staatsgebäuden im inneren Stadtgebiete. Kann nun
der der neuen Kunstgewerbeschule zugewiesene Platz
an einem Kanal der Außenalster schon im Hinblick auf
seine Entfernung vom Stadtzentrum auch nicht gerade
als ideal bezeichnet werden, so ist er unter den über-
haupt zu Gebote gestandenen jedenfalls einer der
besten Plätze. Am Schnittpunkt zweier, von den Ge-
räuschen des Großstadtbetriebes nur mehr leise um-
spielten Straßenzüge gelegen, gewährt er nach zwei

Seiten hin ausreichenden Raum zur Längsentwicklung
und zur Gewinnung einer reichen Lichtfülle. Eine,
aus zwei hufeisenförmig geöffneten Flügeln zusammen-
gesetzte Gebäudemasse als Hauptbau ist auf diesem
Platze durch einen niedrigen Trakt mit einem Werk-
stättengebäude verbunden. Indem eine Loggia den huf-
eisenförmigen Baukörper des Hauptbaues gegen die
Straße hin abgrenzt, wurde ein geschlossener Zierhof
gewonnen, der es ermöglichte, den Haupteingang zum
Gebäude in Form eines kleinen ovalen Pavillons der-
artig in die Mitte dieser Loggia zu legen, daß der Ein-
gang durch diesen Zierhof hindurchführt, während
die geschwungene Form des Loggiabaues das Vor-
handensein einer, aus der Spitzwinkligkeit des Bau-
platzes sich ergebende Divergenz zwischen Nord- und
Südflügel fast völlig übersehen macht.
Wer die Anlage durch den ovalen Pavillon be-
tritt, findet an der rechten Schmalseite des Zier-
hofes den Haupteingang, der zunächst in einen Vor-
raum führt. Von hier leitet ein mittlerer Treppenlauf
in eine große Halle, in die die Korridore der ver-
schiedenen Trakte des Gebäudes münden. Nahe dem
Treffpunkt dieser Korridore, in einer Ecke, befindet
sich die in einer offenen Pfeilerarchitektur angelegte,
nach den oberen Geschossen führende Treppe. Eine
mit Glasfenstern in lichten geschliffenen Gläsern nach
Entwurf von Prof. Czeschka geschmückte große, halb-
runde Fensterapsis führt dem Raum direktes Licht zu.
Die andere Längswand ist völlig geschlossen, da hier
der große Vortragssaal an die Halle anschließt. Ein
Portal mit einer Skulptur von Prof. Luksch zeichnet
den Eingang zu diesem Vortragssaal aus. Der ganze
Raum der Halle, der durch zwei Geschosse hindurch-
geht, zeigt das Gerippe seiner Eisenbetonkonstruktion
unverhüllt. Der große Vorlesungssaal ist ganz auf die
Wirkung der dekorativen Malerei berechnet, die Prof,
von Beckerath für diesen Raum zurzeit noch in Arbeit
hat. Alle Architektur ist zugunsten dieser Bilder
neutral durchgebildet und in einfachen hellen Tönen
gehalten. Die Klassen und Atelieräume sind im Haupt-
bau so verteilt, daß die Bildhauerwerkstätten im Keller-
geschoß liegen. Im Erdgeschoß sind die Klassenräume
für die Vorschulen und Abendklassen untergebracht,
sowie ein Aktsaal, der mit eigenen Beleuchtungsein-
richtungen und einem Baderaum für die Modelle ver-
sehen ist. Im ersten Obergeschoß, das teilweise durch
den zwei Geschosse umfassenden Vortragssaal in An-
spruch genommen wird, sind Direktorzimmer mit
Vorzimmer, Kanzlei und Archiv angeordnet. Den
übrigen Raum nehmen Lehrerzimmer und Klassen ein.
Im zweiten Obergeschoß treffen wir neben dem Haupt-
treppenhause auf einen großen Raum für ständige
Ausstellungen; daran stoßen Lesesaal und Bibliothek
mit Bibliothekarzimmer. In dem nördlichen Flügel
dieses Geschosses ist ein kleiner Hörsaal für 150 Per-
sonen eingebaut, daran schließen der anatomische
Präparier- und Studiensaal, Zeichensäle und Ateliers.
Das Mansardegeschoß birgt außer umfangreichen Samm-
lungsräumen vor allem die großen Malerateliers und
Aktsäle. Der das Hauptgebäude mit dem Werkstätten-
haus verbindende eingeschossige Gebäudetrakt ent-

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