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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Hillig, Hugo: Der Betonbau und die Dekorationsmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0073

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nischen Eigenschaften, Druckfestigkeit z. B., verlangt aber
doch nicht für jedes Steinmaterial eine grundverschiedene
Statik. Ganz anders aber wurde es beim Eisenbau, der
neue Begriffe der Statik, die Zugfestigkeit und die Knick-
formel z. B. in die Bautechnik einführte und angesichts des
teueren Baumaterials dem Querschnittskoeffizienten eine
ganz andere Wichtigkeit zumaß, als er in der alten
Zimmermannskunst gehabt hatte. □
□ Die ersten Eisenbauwerke lassen deutlich erkennen, in
welche neue Verhältnisse der Architekt mit ihnen geriet.
Erst kam die Periode, da man meinte, [das Eisen müsse
als Baumaterial den Stein kopieren, und man ließ deshalb
das Eisen durch die Eisengießereien gehen, in denen es zu
klassischen Säulen, Kapitälen und Simen geformt wurde.
Der alte Bronzeguß fand jetzt im Eisen ein willfähriges
und billigeres Imitationsmaterial (Treppengeländer der
Kunsthalle in Hamburg) und auch auf reine eiserne Kon-
struktionen übertrug man die Ornamentenpracht der alten
Stilarten; der Schmied und noch nicht der Ingenieur und
die Maschine schuf den Eisenbau. Obwohl Konstruktions-
element, war das Eisen als Ornament behandelt (Dachbau
der Börse in Antwerpen) und daneben wurde der Steinbau,
dem das Eisen beigeordnet war, ruhig in alter Formen-
sprache gehalten, architektonisch sowohl, als auch in seiner
farbigen Ausschmückung. o
□ Gleichwohl empfand man aber diesen Widerspruch in
sich selbst und in demselben Maße, als das Eisen vom
Bauwesen als Baukonstruktionsmaterial anerkannt wurde,
entwickelte sich auch die Eisenbautechnik, so daß man bald
wagen konnte, von der ornamentalen Behandlung abzu-

gehen und das Eisen, so wie es der Ingenieur für versteckte
Konstruktionen berechnet und entworfen hatte, sichtbar
stehen zu lassen. Nur mit einer heimlichen Reservation
hat man wohl diese nackte Eisenkonstruktion als schön
gelten lassen, immer in der Versuchung, doch noch etwas
dazuzutun, das das nackte Eisenwerk schöner, gefälliger
mache (Vorhalle des Hauptbahnhofes in Essen). □
o Aber eines zeigte sich nun schon deutlich; der Maler
mußte mit dieser Eisenkonstruktion im Innenbau ganz
anders rechnen als vorher, da das Eisen sich als Stein ge-
bärdete und deshalb auch äußerlich, in seiner Farbe vom
Maler steinähnlich behandelt werden mußte oder wenigstens
metallähnlich in einer Farbe, die ansprechender ist als das
farbig unscheinbare Eisen, namentlich das rohe Gußeisen.
Jetzt verbot sich das von selbst, denn die Eisenkonstruktion
ließ sich nicht mehr verblümen, in ihrer brutalen, aber
ehrlichen Nacktheit konnte das Eisen nicht mehr maskiert
werden und nun entstand als farbiger Komponent der
Raumstimmung der stahlblaue oder gußeisengraue oder
rostbraune Anstrich; neben den Wand- und Deckenflächen,
die farbig wirken sollten, eine zwingende farbige Note.
(Kristallpalast in Leipzig, Varietesaal.) □
□ Daß hier kein dauernder Kompromiß zu erwarten war,
lag auf der Hand und die Eisenbautechnik half in ihrer Ent-
wickelung selbst mit, diesen Kompromiß aufzuheben, indem
sie nämlich aus Gründen der Materialersparnis, und sicher
aus architektonischen Gründen auch, die Eisenkonstruktion
wieder zu ummanteln begann. Nicht als Maske, sondern
als gleichwertig mit dem Eisen, als ein vollgültiges Material
gesellte sich dem Eisen der Zement im Monierbau. Das

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