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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Kračik, Hugo: Adressmappen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0078

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Heinrich Pfannstiel, Weimar, Bildermappe und Regiments-Photographien-Albuin

gebildeteren Stände, wenn nicht gar Fürsten und andere
hochstehende Personen, welche vielfach — nicht immer —
einen gewissen kultivierten, diffizileren Geschmack ihr
eigen nennen. Nun ist (wenn man es geuau nehmen
will), ein solches Schenken von Zier- oder Kunstgegen-
ständen immer — von seiten des Gebers — eine Ein-
mischung in den persönlichen Geschmack des Beschenkten,
denn gewöhnlich hätte derselbe, wenn er den betreffenden
Gegenstand selbst auswählen oder betreffs Anfertigung
selbst bestellen konnte, iin Geschmacklichen anders ge-
handelt. Noch vor einem Dezennium hatte man betreffs
solcher Fragen und Begriffe noch keine so normierte An-
sichten. Die Gefühlsnerven des modernen Kulturmenschen
sind für Schmuck und für die Ausdrucksmittel des Luxus
wieder feiner, rassiger und präziser geworden. Was man
früher für schön so hinnahm, liegt heute vielfach in den
Ecken herum oder in der Rumpelkammer. So mag es
auch mancher Adreßmappe gehen, bei deren Ausführung
sich sicher der einstmalige Verfertiger beim Schneiden,
Treiben, Punzen oder Prägen der vielen sinnlosen Schnörkel
die größte Mühe gegeben hat. Auch jene zwei Meter
hohe, romanische Mappe des Meister Hulbe für Kaiser
Wilhelm 11. würde uns heute kalt lassen wie ein Haus aus
den neunziger Jahren — übersät mit Ornamenten und
Schmuckstücken. □
□ Heinrich Pfannstiel-Weimar hat nun speziell der Adreß-
mappe zu einer Kultur verholfen. Er schmückt seine
Flächen oft reich, aber — immer mit jener zeichnerischen
Schönheit innerhalb seiner Technik, verbunden mit einem
zeitgeistigen, inneren Gefühl für die Komposition seiner
Entwürfe. Seine Kunst besteht nicht ausschließlich in der
Beschränkung der Verzierung, sondern in der zeichnerischen,
organischen Qualität des ornamental Dargebotenen. n
□ Innerhalb der Stuttgarter Ausstellung 1910 (Königl.
Landesgewerbemuseum) für moderne Ehrenurkunden und
Ehrenpreise erstritten sich die Werkstätten für künstlerische
Lederarbeiten und Heraldik von Heinr. Pfannstiel wohl
den besten einschlägigen Erfolg. Hier konnte man sehen,

was in dieser Beziehung früher geleistet wurde. Vieles,
z. B. was das Bismarckmuseum in Schönhausen oder die
Sammlungen des Württembergischen Königshauses her-
geliehen hatten, muteten fast direkt als Gegenbeispiele an.
Auch das 400jährige Jubiläum der Universität Leipzig hat
sehr wenig Hervorragendes auf diesem Gebiete gebracht.
— Professor Dr. Pazaurek-Stuttgart, welcher als Direktor
des obigen Museums die Ausstellung arrangierte, schrieb
am 14. Juni 1910 an Pfannstiel: »Die vielen gelungenen
Arbeiten Ihrer bestbekannten Werkstätten für künstlerische
Lederarbeiten, die Sie uns zu unserer derzeitigen Aus-
stellung moderner Ehrenurkunden und Ehrenpreise ein-
geschickt haben, veranlassen mich, Ihnen mein Kompliment
zu machen, zu Ihrem überaus verdienstvollen Eingreifen
in dieser Gruppe. Die Lederarbeiten waren in der un-
mittelbar vorhergehenden Generation durch die Tätigkeit
einer Hamburger Firma zu sehr in die erstarrte Renaissance-
richtung gekommen, so daß es jeden Freund des modernen
Fortschrittes auf kunstgewerblichem Gebiete angenehm
berühren muß, wenn ein künstlerisches Unternehmen, wie
Ihre Firma, sich dieses sonst vielfach verwaisten Gebietes
mit Geschmack und überaus anerkennenswerter Ausdauer
bemächtigt und so greifbare Resultate aufzuweisen hat,
wie dies bereits bei Ihnen der Fall ist. Einzelne Ihrer
Adressen sind tüchtige, vorbildliche Arbeiten und verdienen
sowohl im Hinblick auf ihre monumenlale Behandlung als
auch mit Rücksicht auf die Lösung der heraldischen Frageu
volles Lob. Wir werden uns stets freuen, Ihre tüchtigen
Arbeiten auf unseren Ausstellungen vorführen zu können.«
□ Von den Pfannstielschen Adreßmappen bringen wir
zwei Stück im Bilde. □
□ Die erste Abbildung stellt eine Bildermappe mit dem
modernisierten Reichswappen dar (Größe 60x75 cm). Es
ist wohl wirklich nicht zu viel gesagt, daß diese Arbeit
in ihrer Zeichnung ein Meisterwer in bezug auf moderne
Auffassung dieses Wappens ist. Die monumentale Stili-
sierung ging bis an die Grenze des heraldisch Erlaubten.
Hier ist von Renaissancestil nichts mehr übrig geblieben.

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