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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0083

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Königliche Opernhaus in Berlin, [für eine weitere feste
Rheinbrücke zwischen Köln-Deutz, für das Kaiser-Wilhelm-
Volkshaus in Lübeck und für den Zentralfriedhof in Stuttgart,
eine nicht geringe Unruhe hervorgerufen und den Glauben
an eine gerechte und sachgemäße Einleitung und Durch-
führung nicht nur der oben genannten, sondern vieler Wett-
bewerbe tief erschüttert. Und wer namentlich die Aus-
führungen von Dr. ing. Weishaupt in Nr. 92 der Deutschen
Bauzeitung vom 15. November mit Aufmerksamkeit gelesen
hat, muß selbst als Unbeteiligter zugeben, daß das Wesen
unserer Preisauschreiben von Grund auf gebieterisch nach
Besserung verlangt. Wenn Stimmen von Beteiligten an
Wettbewerben nach sogenannten Mißerfolgen laut werden
und zu Anklägern über mangelhafte Programme, leicht-
fertige Urteile oder beeinflußte Schiebungen werden, so
scheint das oft nicht verwunderlich, weil dabei meist Ent-
täuschung, verletztes Selbstbewußtsein oder Konkurrenzneid
den Unterton abgeben. Es soll dabei unbedingt die Be-
rechtigung zu solchen Klagen in allen jenen Fällen aner-
kannt werden, in denen der Verlauf des betreffenden Wett-
bewerbes ein nicht programmgemäßer war, oder mit un-
verhüllter Durchsichtigkeit zugunsten von lokalen Mit-
machern oder Schülern der Preisrichter entschieden wurde.
Es verlaufen sehr wenige Preisausschreiben, deren Ergeb-
nisse die volle Zustimmung von Beteiligten und Unbe-
teiligten finden, und somit mehrt sich ganz bedenklich die
Zahl jener Fälle, aus welchen heraus besonders dunkle
Punkte Anlaß wurden, daß keiner der preisgekrönten Ent-
würfe einschließlich Ankäufe zur Ausführung gelangte, daß
vielmehr der Wettbewerb-Veranstalter an der Fülle dieser
in seinen unumschränkten Besitz übergegangenen Entwürfe
zum Plagiator wurde, das Projekt weiterhin bearbeiten
ließ, um angeblich ein ganz Neues erstehen zu lassen.
Aber auch Überraschungen nach der Seite waren nicht
selten, daß irgend ein kaum in die engere Wahl ge-
kommener Entwurf unter Zurückstellung aller preisgekrönten
oder angekauften Projekte schließlich zur Ausführung be-
stimmt und ausgeführt worden ist. Ich lasse die Fälle bei-
seite, in denen Preisrichter durch Plagiate getäuscht worden
sind, und demgemäß mit Recht preisgekrönte Projekte das
Schicksal der Nichtausführung traf. Alle diese Zustände
haben sich schließlich so zugespitzt, daß auch Unbeteiligte,
und das ist das Wesentliche bei den jetzigen Vorgängen,
sich für eine Reform unserer Wettbewerbe scharf ins Zeug
legen. Wir alle wissen, daß es an gutgemeinten und
wohlvorbereiteten Vorschlägen dafür nicht gefehlt hat, daß
aber auch eine teilweise Besserung, namentlich in der
sorgfältigeren Aufstellung der Bedingungen und Pro-
gramme, aber auch in der Wahl maßgebender und nicht
zu beeinflussender Preisrichter, nicht genügt, um alle Miß-
stände aus den jetzigen Wettbewerbsgepflogenheiten zu
beseitigen. Daran, daß es an sich sehr zu wünschen
wäre, die Wettbewerbe überhaupt einzuschränken, d. h.
nicht jeden kleinen Rathaus-Neu- und -Umbau oder Schul-
gebäude zum Gegenstände eines Wettbewerbes zu machen,
soll nur so nebenbei gedacht werden. Es ist kaum aus-
zudenken, welche Unsummen an Arbeitsaufwand, künst-
lerischer Energie und direkten Kosten durch überflüssige,
nicht notwendig gewesene Preisausschreiben vergeudet
worden sind. Und das trifft für Preisausschreiben der
Architektur, der Gartenkunst und auf allen anderen Ge-
bieten der hohen wie angewandten Kunst zu. In vielen
Fällen hätten sich ohne weiteres allerbeste Kräfte für die
jeweilige Aufgabe finden lassen, durch die in persönlich
starker Fühlungnahme sicher eine durchaus befriedigende
Lösung gefunden worden wäre.
Doch darüber sollen hier Untersuchungen nicht angestellt
werden. Es soll lediglich den Bestrebungen in die Hand

gearbeitet werden, die darauf abzielen, sogenannteüm Sande
verlaufende Wettbewerbe unmöglich zu machen, bzw. Wett-
bewerbe jeglicher Art, wenn sie schon erlassen werden
müssen, besser vorzubereiten und gewissenhafter zum Aus-
trag zu bringen.
LInzählige Male ist es vorgekommen, daß die Wett-
bewerber erst die Mängel unklarer oder zu anspruchsvoll,
ja auch widersinnig aufgestellter Programme und Bedin-
gungen erkannten, zum andern, daß die Preisrichter sich
entweder um die Fassung dieser gar nicht gekümmert hatten
oder, und das war noch viel schlimmer, bei der Entscheidung
eigenmächtig auslegten und eine gerade im Sinne des
Wettbewerbes mit Recht zu erwartende Entscheidung um-
gingen. Dem muß künftig unbedingt vorgebeugt werden.
Veranstalter und Preisrichter eines Wettbewerbes müssen
über jeden Zweifel erhaben und unantastbar bleiben. Da-
für ist die gewissenhafteste Vorbereitung aller Wettbewerb-
Programme und -Bedingungen unter voller Mitwirkung und
Zustimmung aller mitwirkenden Preisrichter von Anfang
an erforderlich. Das gilt namentlich für Architekturen und
Gartenanlagen, Friedhöfe und Siedelungen, bei welchen
Örtlichkeiten, Terrainschwierigkeiten, Wetterlage und der-
gleichen eine große Rolle spielen. Viele Enttäuschungen,
viel unnütze, vergebliche Arbeit würden sich dadurch ver-
meiden lassen. Man lade die Preisrichter zur Vorbe-
sprechung und Vorbesichtigung ein, denn die daraus ent-
stehenden Mehrkosten würden sich reichlich bezahlt machen.
Für den Veranstalter eines Wettbewerbes werden dadurch
erst die brauchbaren Unterlagen geschaffen, und ob ein
Wettbewerb 10- oder 12000 Mark kostet, ist belanglos dem
gegenüber, was die Teilnehmer am Wettbewerb für Opfer
zu bringen haben. Hauptsache bleibt, daß ein Preisaus-
schreiben ehrenhaft und erfolgreich in Würdigung aller
daran beteiligten persönlichen Ehre und Kraft durchge-
führt wird.
Eine ganz besondere Sorgfalt fordert nicht minder die
rechte Auswahl der Preisrichter. Hier gibt es sehr viel zu
wünschen. Man beschränke auch tunlichst die oft über-
große Zahl der Preisrichter; man nehme auch nur solche,
die gerade der gestellten Aufgabe Interesse und reiche
Erfahrung entgegenbringen und die unter allen Umständen
gewillt sind, nicht nur die Rechte der Preisausschreiber,
sondern auch die der Wettbewerber zu vertreten. Man
höre endlich damit auf, Preisrichter ehrenhalber zu wählen.
Man wähle sorgfältig in Rücksicht auf die Aufgabe; man
unterscheide für landschaftliche Objekte auch nach der Seite,
ob nord- oder süddeutsche Preisrichter durch ihre Persön-
lichkeit eine Beeinflussung des Preisgerichts herbeizuführen
vermögen. Das ist häufig geschehen, viele Entscheidungen
sind übers Knie gebrochen worden. Rechnerische und
technische Vorprüfungen im Sinne der Bedingungen waren
oft höchst mangelhaft und leichtfertig. Schaubilder und
bestechende zeichnerische Leistungen wurden zu entschei-
denden Faktoren, die Erkennung der »Handschrift« darin
zur Vergewaltigung des Schiedsspruchs. Mit rein künst-
lerischen Gesichtspunkten kommen wir darin nicht aus; beim
Urteil sollten zuvor mehr Einzelreferate gehört werden und
je ein Obmann für die rein technischen wie auch für die
rein künstlerischen Fragen sollten für eine umfassendere
Vorprüfung verantwortlich bleiben. Große Projekte mit
Hunderten von Einzelblättern und eingehenden Erläuterungs-
berichten sind in knapp zwei Tagen abgeurteilt worden.
Auch dafür müssen die Preisrichter, die doch neben ihrer
ehrenamtlichen Berufung vielfach auch den Zeitverlust
honoriert bekommen — so sollte es wenigstens bei be-
sonderem Zeitaufwand sein — die nötige Zeit finden;
sonst sollten sie lieber auf jegliche Mitwirkung dieser Art
verzichten.

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