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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Westheim, Paul: Bauten von Edmund May, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0091

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May hat niemals jenes beschämende Jonglieren mit
dem Namen Messels mitgemacht, dazu war er wohl
zu ehrlich, dazu zu sehr seiner Gaben und seiner
Grenzen bewußt. Er hat beim Abscheiden Messels
den Bau übernommen, den Messel halb vollendet
zurückgelassen hat. Die Villa des Georg Wertheim
nämlich, die von Messel ganz reif, ganz fein und
groß angelegt war, die bedeutend ist durch die
wunderbare Simplizität, die die Spätwerke der großen
Meister auszuzeichnen pflegt. May war nicht der
Mann dazu, eine — wie man weiß, an anderer Stelle
begangene — Barbarei zu üben, indem er nach
eigenem Gutdünken Veränderungen an dem Werk
seines Meisters vorgenommen hätte. Seine Tendenz
war vielmehr, als Gestalter gänzlich aufzugehen in
den großen Intentionen Messels, überall nur das
Fehlende zu ergänzen und mit so behutsamer Hand
zu ergänzen, daß auch nicht an der kleinsten Stelle
eine Dissonanz entstände.
Diese Tendenz, diese Pietät, die bis zur Auf-
opferung der eigenen Persönlichkeit geht, ist charak-
teristisch für die Natur und das Schaffen dieses Bau-
meisters, der jene seltene Klugheit besitzt, ganz in
den Bahnen zu wirken, die ihm ein anderer, ein
Größerer vorgezeichnet hat. Er hat nicht die Ver-
messenheit, an sich Ansprüche zu stellen, die zu er-
füllen er doch nicht in der Lage wäre, und hat auch
nicht jenen Desperadomut, mit unzulänglichen Kräften
über Werte hinweggaloppieren zu wollen, die nur
das Genie zu überbieten vermag. Man hat selten
Gelegenheit, von einer so großen Hingebungsfähigkeit,
von einer so selbstlos bescheidenen Unterordnung an
die Sache zu sprechen, und doch sind das für eine
Natur wie die dieses Baumeisters May Tugenden, die
kaum genug geschätzt werden können, und die, wenn
sie heutigen Tages nur mehr geübt würden, uns so
manchen mißratenen Bau und so manch peinvolles
Stück Kunsthandwerk ersparen würden.

Das zeigt sich recht gut an dem »Heidehof«, einem
bescheidenen Jagd- und Gutshaus, das er für den-
selben Georg Wertheim in Schulzendorf gebaut hat.
Es ist das Refugium eines Mannes, der sich von Ge-
schäften und Geselligkeiten zur Natur zurückflüchtet.
Man muß zum Verständnis des Ganzen ein Wort von
der Passion reden, aus der heraus diese Anlage ent-
standen. Dieser »Heidehof« ist nicht zu vergleichen
mit irgend einer der Villen, die reich gewordene
Leute sich um Berlin herum bauen lassen. Die Re-
präsentation, die da zumeist gefordert wird, die in
nicht wenigen Fällen die eigentliche Triebfeder des
Bauherrn war, sollte hier gänzlich vermieden werden.
Der »Heidehof« liegt am Rande eines noch unbe-
rührten Dörfchens, weit ab von allen Verkehrsstraßen
in der Nähe eines Jagdgrundes, in dem der Besitzer
seine Mußestunden zu verbringen pflegt. Aus einer
ähnlichen Passion heraus ist der Gutshof mit seinen
verschiedenartigen Stallungen, die sich an das Jagd-
haus anschließen, entstanden. Die ganze Anlage sollte
sich unauffällig in die märkische Landschaft ein-
schmiegen; auch für das Innere war eine gleiche
Unauffälligkeit und Natürlichkeit verlangt. Ein höchst
kultivierter, ein wunderbar gesunder Sinn verlangte
von dem Baumeister den vollkommenen Verzicht auf
den gesamten Ballast unserer raffinierten Stadtkultur.
Es sollte alles urwüchsig und ungezwungen sein wie
der Trieb, der diese entlegene Anlage entstehen macht.
May hat sich in dem, was er gestaltete, auch diesen
Anforderungen vollauf hingegeben. Er hat dem Haus
wie dem Mobiliar in allen Teilen diese von ihm ver-
langte Bescheidenheit gegeben. Hat nichts anderes
getan, als für diese vornehmen Zwecke ein brauch-
bares Gefäß zu schaffen. Man gerät gar nicht in die
Versuchung, vor solch einer ungezwungenen Anlage
nach »Architektur« zu fragen; ihr Wert liegt in der
Ungezwungenheit, die wahrscheinlich so mancher
genialeren Veranlagung unerreichbar geblieben wäre.

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