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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0105

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traurigen Beispiel der Akademischen Hochschule für bil-
dende Künste wissen, Red.) leicht zu einer sterilen Ver-
ödung des Unterrichts führen kann. Er fand gute Worte
für die notwendige wirtschaftliche Behandlung der Kunst-
gewerbeschule als eines nationalökonomischen Faktors,
wendete sich aber mit vielem Glück gegen die falsche
Sparsamkeit im Lehrmittelbetrieb und gegen die irreführende
Gewohnheit, den Etat durch die Schülerzahl zu dividieren,
um die »Rentabilität« der Schule nach den für jeden
Schüler aufzuwendenden Beträgen zu bemessen, denn diese
Methode könne ja nur dazu führen, solche Schulen, die
in der Aufnahme von Schülern qualitativ und quantitativ
sehr weitherzig seien, als »rentabler« erscheinen lassen,
während doch das von ihnen dem praktischen Leben zurück-
gegebene Schülermaterial keineswegs dem Staate auch
nur annähernd so wertvoll sein könne, wie die nach strenger
Sichtung, mit besten Unterrichtsmitteln und von ausge-
suchten Lehrkräften gebildeten Schüler einer scheinbar un-
wirtschaftlicher arbeitenden, gehobenen Anstalt. (Direktor
Thiele hat mit der Reorganisation der von ihm geleiteten
Schule schon sehr gute Anfänge gemacht, über die wir an
anderer Stelle berichten werden.)
Der zweite Vorsitzende des Vereins, Geheimrat Dr.
Peter Jessen, hat eine längere Studienreise durch Nordamerika
und Ostasien vollendet und berichtete mit Wort und Bild
über seine Beobachtungen auf dem Gebiete der Kunst und
der Wissenschaft, insbesondere auch des Bibliothekwesens,
die ihm zu sehr interessanten und gewiß auch fruchtbringen-
den Vergleichen Anlaß gaben. (Daneben geht eine Vor-
tragsserie im Hörsaal des Kgl. Kunstgewerbemuseums, in
der dasselbe Thema ausführlicher und systematisch be-
handelt wird.) f. h.
Berlin. Die höhere Fachschule für Theaterkunst von
Albert Reimann-Berlin. Das Kunstgewerbe dringt durch!
Der immer neu flutende Nachwuchs von Talenten bleibt
nicht beim Sofakissenentwerfen stehen. Er tummelt sich
nicht mehr bloß in Plakaten aus, oder entwirft Stoff- und
Tapetenmuster. Er will weiter, — und das allgemeine
Leben will ihn weiter kommen lassen. Der junge Kunst-
gewerbler beginnt seine Nützlichkeit und Brauchbarkeit zu
erweisen. Das Kunstgewerbe, wie es heute besteht, hat
alle ethischen und »hochkünstlerischen« Bestrebungen über
Bord geworfen. Drei, vier geschäftskluge Individualitäten
haben das Vorbild gegeben, stehen sich glänzend dabei,
und haben auf ihre Weise einen bedeutenderen Ruf, eine
achtenswertere Stellung erreicht, als wenn sie es mit dem
Aposteltum versucht hätten. Das Kunstgewerbe ist nütz-
lich geworden. Freilich, wenn man die hohe Stufe, die es
emphatisch erreichen wollte, bedenkt, und ihre jetzigen
utilitarischen Beweise sieht — so weiß man nicht, ob man
ironisch oder zufrieden lächeln soll. Daß mit den pro-
fessionellen Theatermalern nichts anzufangen sei, erkannten
schon einzelne Direktoren. Sie riefen Künstler und ließen
sich schöne Inszenierungen machen. Am Ende hatte jeder
bedeutungsvolle und schöpferische Theaterleiter seinen
Hauskünstler. Doch was im individuellen Einzelfall ge-
lang, das ist unmöglich im allgemeinen. Max Reinhardt
kann sich einen Ernst Stern nehmen, und mit ihm Zu-
sammenarbeiten, indem sich die zwei entgegenkommen
und gemeinsam schaffen. Dann ersetzt das Technische
und die Bühnenroutine der eine, das Bildliche der andere.
Die Masse der Theater aber, die nicht einen charakteristi-
schen Umriß, sondern eben eine Bedeutung unter anderen
haben, besitzen nicht Geld und Muße, ihre Direktoren
haben nicht persönliches Talent genug, um sich einen
Künstler durch Zusammenarbeit zu erziehen. Sie brauchen
einen gewiegten Mann, der das Technische, das Gewerb-

liche und den Geschmack hat; der ihnen eine Inszenierung
von Romeo und Julia brauchbar uud hübsch auf einen
Hieb hinstellt und dafür soundsoviel Gehalt bekommt.
Das heißt, er wünscht einen »Angestellten«, keine »Indi-
vidualität« ! Das Material an Theaterkunstgewerblern zu
erziehen, unternimmt mit sehr lobenswerter Tatkraft die
Schule Reimann-Berlin. Sie hat eine höhere Fachschule
für Dekorationskunst, die einzige in Deutschland. So unter-
nimmt sie auch jetzt die Fachschule für Theaterkunst.
Hinter diesen Fachschulen stehen große Organisationen.
Die Lehrkräfte sind zumeist Fachkenner. Paul Leni (vom
Berliner Theater) hat die künstlerische Leitung; Rudolf
Klein (vom Deutschen Opernhaus) lehrt die Bühnentechnik,
Alfred Walter-Horst (Regisseur am Schillertheater) führt
in die Regie ein, Julius Klinger überwacht die Geschmacks-
bildung. Daneben gibt’s Theater- und Stilgeschichte, Farben-
lehre und noch mancherlei. — Einzelne Theaterstücke
(Shakespeare, Wilde, Ibsen stehen auf dem Programm),
werden dem Schüler zur Aufgabe gestellt. Er hat nun
nicht einfach eine hübsche Illustration zu liefern, sondern
er muß das Aufeinanderfolgen der Szenen praktisch nicht
nur möglich machen, sondern sogar die Schwierigkeit zu
einem Vorteil ausnutzen; in dem Sinne nämlich, daß er
daraus den natürlich entstehenden Stil der Gesamtleistung
oftmals ohne mühsames Suchen, zu finden imstande ist.
Erforderlich ist natürlich die genaueste Kenntnis des Büh-
nenbaues. Leni zeigte an einem Modell eines aus Vorder-
und Hinterbühne bestehenden Hauses, mit einer Treppen-
anlage und zwei hin und her schiebbaren sogenannten
Türmen, zu welcher überraschenden Einfachheit eine doch
bisher so komplizierte Macbeth-Aufführung gelangen kann,
indem sie dadurch nicht nur nicht verliert, sondern im
Gegenteil in höchst suggestiver Klarheit ihre Wucht er-
höht! — Nicht nur der Theaterkunstgewerbler soll auf
diese Weise erzogen werden, sondern, welch vernünftiger
und praktischer Weitblick, auch der Kinokunstgewerbler!
Denn auch die Filmfabriken suchen nach brauchbaren
Kräften. Daß sich die Aufgaben hier vollkommen ver-
schieben, daß ein Kinoregisseur das Gegenteil von einem
Theaterregisseur ist, zeigte bei der Eröffnung Klinger in
einem klugen kleinen Vortrag. — So sind denn die Hoff-
nungen nicht unberechtigt und aufmerksame Beachtung
gebührt dem neuen Unternehmen. Herbert Mhe.
Braunschweig. Kunstgewerbeverein zu Braunschweig.
(Vors. Prof. Regbmster. Bock.) Auf Einladung des Kunst-
gewerbevereins zu Braunschweig hielt Dr. Paul Straumer
von der Kgl. Techn. Hochschule in Danzig am 18. No-
vember 1913 einen Vortrag über »Zeugdruckerei in ihren
Beziehungen zu Kunst, Kultur und Wirtschaft«. Redner
schilderte zunächst an Hand anschaulicher Versuche die
Techniken des Zeugdrucks (Handdruck, Maschinendruck,
direkter Druck, Ätz-, Reservage-, Entwicklungsdruck, Druck
mit Küpenfarbstoffen usw.), führte ausgezeichnete Licht-
bilder vor und stellte dann die weiteren Beziehungen des
Zeugdrucks dar. Eine große Ausstellung erläuterte den
sehr lehr- und genußreichen Vortrag noch weiter. Die
Ausstellung umfaßte Drucke der verschiedensten Kultur-
epochen der verschiedensten Länder. Die Musterwerke
William Morris’ waren ebenso zu sehen, die Vereinigten
Werkstätten für Kunst im Handwerk waren mit den
Schöpfungen von L. R.Weiß, Orlik, Krüger, Bruno Paul u.a.,
die »Deutschen Werkstätten für Handwerkskunst« mit den
Entwürfen von Niemeyer, Riemerschmid, Christiansen,
Bernhard, Behrens, Klatt-Hirsch u. a. vertreten waren.
Köchlin freres-Mühlhausen (Elsaß) zeigten die farben-
freudigen Maschinendrucke nach Hermann Münchhausen-
Berlin und die Hagener Textilindustrie vorm. Gebr. Elbers

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